Eine anti-essentialistische Haltung ist ganz allgemein gegen ein Denken gerichtet, das Identitäten als etwas Wesenhaftes und Feststehendes begreift – und nicht als Effekte von Prozess und Performanz, die immer erst innerhalb einer differenziellen Struktur Sinn bekommen. Weiblich, Schweizer_in oder Schwarzer Teenager zu sein, ist – anti-essentialistisch gedacht – Ergebnis einer, immer auch historischen, kulturellen Praxis und keine unveränderliche Wesenseigenschaft, schon gar keine natürliche. In der Geschlechterforschung werden primär biologistisch argumentierende Ansätze als essentialistisch kritisiert, die zwischen Genprogramm, Geschlechtsidentität und Sexualität einen kausalen Zusammenhang herstellen und daraus charakterbestimmende Merkmale (die «friedfertige Frau» etwa) ableiten. In diesem Sinn ist «anti-essentialistisch» ein wichtiges und politisches Attribut kritisch-emanzipativer Theorie und Praxis.