Kritische und feministische Erziehungswissenschaft hinterfragt die Beziehung von Lehrenden und Lernenden auf Machtverhältnisse – sowohl auf diejenigen, welche in dieser Beziehung reproduziert werden als auch auf diejenigen, in welche diese Beziehung eingebettet ist. Ebenso befragt sie kritisch den jeweiligen Bildungskanon – also die Definition dessen, was jeweils gelehrt und gelernt werden soll. Des Weiteren und damit zusammenhängend, widmet sie sich den Möglichkeiten alternativer Wissensproduktion – also der Produktion von Wissen, das im dominanten Bildungskanon marginalisiert wird.
Feministische Erziehungswissenschaft und Pädagogik berücksichtigen dabei insbesondere die Wirkmächtigkeit der Kategorie Geschlecht. Sie thematisieren und bearbeiten die durch Geschlechterverhältnisse entstehenden Ungleichheiten.
In der angelsächsischen Tradition der Critical oder Radical pedagogy entwickelt sich früher als im deutschsprachigen Raum ein Interesse an der Erweiterung der Analyse über die Kategorie Geschlecht hinaus auf die Kategorien Ethnizität und soziale Herkunft als Faktoren von Ungleichheit (race, class, gender, siehe auch cultural studies), die pädagogisch zu bearbeiten sind.
Kritische und feministische Erziehungswissenschaft und critical oder radical pedagogy entfalten ihre eigene Normativität: Pädagogisches Arbeiten hat hier immer das Ziel, mündige und kritische Subjekte hervorzubringen, die bereit sind, an einer gerechten und gewaltfreien Gesellschaft mitzuarbeiten. Dieses Paradigma ist mit einem Paradox konfrontiert, das Andreas Gruschka, ein Vertreter der deutschen kritischen Erziehungswissenschaft, in Anschluss an Theodor W. Adorno als «Pädagogische Negativität» bezeichnet hat: Der normative Anspruch an Mündigkeit und Emanzipation wird permanent durch die pädagogische Praxis negiert, da «selbstständiges Lernen gelernt werden muss» (W. Klafki). Aus diesem Spannungsverhältnis heraus entwickelt die kritische Pädagogik ihre Ansätze.
Literatur
- Gruschka, Andreas, Negative Pädagogik: Einführung in die Pädagogik mit kritischer Theorie, Büchse der Pandorra 1988.
- Klafki, Wolfgang, Selbstständiges Lernen muss gelernt werden! in: Stübig, Frauke (Hg.): Selbstständiges Lernen in der Schule, Kassel: Kassel University Press 2003, S. 19–57.