Das Kalkül der Verklärung in Sprache und Kapital
Dr. Cédric Weidmann
Nostalgie gilt als manipulatives Gefühl, weil sie sich dadurch auszeichnet, nicht richtig zu erinnern. Darum hielt man sie bis zum 19. Jahrhundert für eine tödliche Krankheit und darum hält sich heute die Überzeugung, dass Nostalgie immer »nur instrumentalisiert« sei. Wie die Antizipation auf die Zukunft, greift die Nostalgie auf die Vergangenheit kalkuliert und heuristisch zu – sie filtert nur bestimmte Aspekte heraus. Dabei zeichnet die Nostalgie selbst eine Antizipation aus: Sie ist eine Reaktion auf die Zukunft, ein Instrument, die Zukunft zu gestalten, und etwas, das selber Zukunft hat, weil Nostalgie schon immer vorweggenommen und erwartet wird.
Ich betrachte die Nostalgie darum vor allem in Zukunftsimaginationen in der Literatur und Kunst auf der einen und in der Ökonomie auf der anderen Seite, und möchte zeigen, wie sich etwa in Science Fiction-Werken, Wirschaftstheorien und politischen Manifesten zwei Formen der antizipierten Nostalgie unterscheiden lassen: eine produktive Nostalgie, die die Vergangenheit gegenüber der Zukunft abwertet, und eine extraktive Nostalgie, die die Vergangenheit auf Kosten der Zukunft aufwertet.