Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, zu spezifischen Modi des Zuhörens zu arbeiten und Möglichkeiten auditiver Sensibilität im Feld des Visuellen zu untersuchen. Dabei fokussiert es auf Formen un-/möglichen Zuhörens in Film- und Videoarbeiten, einen Vergleich modernistischer und postkolonialer Hörkonzepte und die Konzeptualisierung der kulturanalytischen Denkfigur Echo/ing.
Das Projekt 'Echoing the Un(fore)seen. Kulturanalytisches Zuhören in den Künsten' widmet sich der Frage, welche Unterbrechungen, welche neuen kritischen Möglichkeiten und Erweiterungen Ansätze der Visual Culture Studies durch auditive Konzepte und klangliche Wahrnehmung erfahren können. Es nimmt die Figur Echo auf, um sie als klangliche Denkfigur einer visuellen kulturanalytischen Praxis zu nutzen, die sich mit den Bedingungen zur Vernehmbarkeit von Un(vorher)gesehenem beschäftigt - also dem, was nicht vorgesehen war oder ist, um gesehen/gehört zu werden und was im Echo die Form einer anwesenden Abwesenheit erhält. Durch eine Verschränkung von ästhetischer Praxis und Theorie - wie sie für themenorientierte, recherchebasierte Arbeiten im Feld der Artistic Research zentral ist - soll Echoing in drei aufeinander bezogene Dimensionen als ein massgebliches kulturanalytisches Konzept erprobt werden:1.Echo/ing als ästhetische Praxis und kulturanalytische Methode, die mit konkreten Hörerfahrungen und Frequenzwahrnehmungen experimentiert und ‚argumentiert‘; 2.Echo als klangliche kulturanalytische Denkfigur, die ihren narrativen Ausgangspunkt bei der Nymphe Ovids nimmt und eine kritische Erweiterung des Feldes eröffnet;3.Echoing als kulturanalytische Haltung, die nach aufmerksamen Formen des Zuhörens sucht.In zeitgenössischen Kunst- und Ausstellungsprojekten wird gegenwärtig auffällig oft mit ‚Listening‘-Konzepten argumentiert und mit Sound experimentiert, um nach Möglichkeiten zu suchen, andere Geschichten, andere Stimmen, andere Weltverhältnisse im wahrsten Sinn anklingen zu lassen. Nicht selten wird dabei auch kritisch auf eine Dominanz des Visuellen in der Ästhetik und den Wissenskulturen der europäischen Ideengeschichte rekurriert und Sound/Auditives als eine Alternative ins Spiel gebracht. Gleichzeitig schliesst der Diskurs um die mögliche Hörbarkeit unterdrückter Geschichten und Stimmen auch an repräsentationskritische Argumente an, die in den 1990er Jahren zur Begründung der Studien visueller Kultur geführt hatten. Unser Projektvorhaben setzt hier an und konzentriert sich auf mögliche Wechselwirkungen und kritische Aktualisierungen. Echoing - verstanden als eine Doppeltheit zwischen Empfangen und Erzeugen - bietet sich an, um Responsabilität („response-ability“) im Sinne John Cages und Donna J. Haraways zu denken. Entgegen der Idee des Originären, ist Echo der Bezug zu etwas Gegebenem immanent, was es/sie zu einer kulturanalytisch relevanten Figur macht. Das Forschungsprojekt hat zum Ziel in einer Verschränkung von Denkfigur und künstlerischen Praktiken spezifische Modi des Zuhörens exemplarisch zu untersuchen. Als Möglichkeit, auditive Sensibilität im Feld des Visuellen zu praktizieren, soll Echoing dabei nicht zuletzt zu einer forschungsethischen Aufgabe werden.Folgende Detailstudien bilden den Kern des Projekts:a)eine künstlerisch-wissenschaftliche Teilstudie mit einem Fokus auf Film- und Videoarbeiten, die Echos zwischen Bild und Ton als Formen un-/möglichen Zuhörens untersucht (Postdoc);b)eine künstlerisch-wissenschaftliche Promotionsstudie zu Differenzen zwischen modernistischen Hörkonzepten und postkolonialen Konzepten eines (an)erkennenden Zuhörens in historischen und gegenwärtigen klangkünstlerischen Praktiken;c)eine kulturanalytisch konzeptuelle Beschäftigung mit Echo/ing als klanglich-ästhet(h)ische Denkfigur in der künstlerischen Praxis (Gesuchstellerin).Im Team und mit Gästen wird Echoing the Un(fore)seen als ästhetisches und ethisches Konzept für eine kulturanalytische Verschränkung auditiver und visueller Forschung in den Künsten erprobt und reflektiert. Diverse Formate dienen dem fachlichen Austausch und der Veröffentlichung in einem Glossar (Echoing: A Diffractive Glossary), das einen relevanten Beitrag zur Fachentwicklung kulturanalytischer Forschung in den Künsten zu leisten sucht.