Ein Gespräch zwischen Beate Böckem, Leiterin der Geschäftsstelle Forschung, und Florence Balthasar, Leiterin der Geschäftsstelle Internationales. Sie sprechen über Kooperationen, die Vielfalt der Forschung und ihr Verständnis von internationaler Forschung.
Beate Böckem: 2020 habe ich als sehr intensives Jahr empfunden, welches unterschiedliche und widersprüchliche Entwicklungen mit sich brachte. Auf der einen Seite erlebten wir durch den Lockdown und die pandemiebedingten Massnahmen eine Art Stillstand. Auf der anderen Seite sind gewisse Themen und Bereiche in der Forschung ungebremst weiter gelaufen und haben auf der strategischen Ebene viel Fahrt aufgenommen.
«Ich würde deshalb sagen, es war das Jahr der vielen Zugänge.»
Florence Balthasar: Für meinen Bereich habe ich das ähnlich wahrgenommen. Die bestehenden internationalen Kooperationen wurden weitestgehend problemlos fortgesetzt. Schwierigkeiten ergaben sich eher in der Verfestigung von Partnerschaften, welche sich zu diesem Zeitpunkt in der Startphase befanden. In diesen Bereich fällt auch die internationale Forschungszusammenarbeit. Gewisse Kooperationen wollten wir gezielt weiter aufbauen, was uns aufgrund der Situation noch nicht gelungen ist. Allerdings bringt die digitalisierte Kommunikation auch positive Aspekte mit sich. Als Beispiel möchte ich hier die ELIA 2020 Biennial nennen. Gewöhnlich reisen maximal zehn Vertretende der ZHdK an diese wichtige Konferenz. Durch die Verlegung dieses Anlasses in den digitalen Raum konnten 2020 viel mehr Personen unserer Hochschule daran teilnehmen und davon profitieren. Ich würde deshalb sagen, es war das Jahr der vielen Zugänge. Aber trotzdem: Glaubst du, dass einige ZHdK-Departemente und ihre Disziplinen mehr von der Digitalisierung profitiert haben als andere?
Bea: Den Eindruck habe ich, ja. Die Geschäftsstelle Forschung hat im April 2020 bereits eine Umfrage unter den Forschenden durchgeführt, welchen Einfluss die Pandemiesituation auf die Forschung hat. Man hat dort gesehen, dass es disziplinäre Unterschiede gibt. Man denke beispielsweise an jene Bereiche, die stark ortsgebunden an ihre Forschungsinfrastruktur sind oder bei denen die digitale Datenerhebung sowie der digitale Datenzugang nur eingeschränkt oder überhaupt nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass einige in ihrer Forschung in erster Linie national verankert sind und deshalb aktuell weniger Einschränkungen zu ertragen haben als Bereiche, die aufgrund ihrer Fachlogik über diese lokale Verankerung hinausgehen müssen.
Florence: Das klingt nachvollziehbar. Für mich persönlich ist die künstlerische Forschung ein neues Feld. Ich finde das Verständnis von Interdisziplinarität innerhalb der Künste und dem Design an der ZHdK sehr interessant. Denn hier an der Hochschule kommen alle diese künstlerischen Disziplinen zusammen. Das macht uns im internationalen Vergleich stark und attraktiv für Kooperationen. Zukünftig sollten wir dies noch mehr in den Vordergrund rücken und uns dort positionieren, wo Interdisziplinarität sinnvoll ist. Gerade unser internationales Flaggschiffprojekt «Shared Campus» legt einen Schwerpunkt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und birgt ein grosses Potenzial an möglichen Forschungskooperationen.
«Je nach Konjunkturwelle werden national als auch
international unterschiedliche Forschungsbereiche unterstützt.»
Bea: Was sich am Verständnis von internationaler Forschung an der ZHdK nicht verändert hat, ist die Grundhaltung, die unterschiedlichsten Formate in ihrer Eigenständigkeit zu begreifen und für diese gute sowie logische Zugänge und Möglichkeiten zu schaffen. Eine pandemiebedingte Veränderung nehme ich insbesondere in den bildenden Künsten und den Performing Arts wahr. Die Forschung in diesen Disziplinen ist in ihren Möglichkeiten, ihren Zugängen und ihrem Output tatsächlich eingeschränkt worden. Dieser Umstand hat die Herausforderung der Forschungsförderung in diesen Feldern nochmals vergrössert. Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen ist, muss nicht zwingend mit der Pandemie zusammenhängen. Je nach Konjunkturwelle werden national als auch international unterschiedliche Forschungsbereiche unterstützt. Hier muss im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Balance zwischen der Unterstützung von gefragten und der Stärkung von weniger angesagten Thematiken gefunden werden.
Florence: Auf EU-Ebene ist das ebenfalls sehr gut zu beobachten. Es gibt dort insbesondere zwei Bereiche, welche aktuell einen starken Einfluss auf die verschiedenen Forschungsfelder haben. Zum einen ist das die Nachhaltigkeit, zum anderen die Digitalisierung. Das führt dazu, dass gewisse Forschungsbereiche aufgrund ihrer Affinität zu den beiden grossen Überthemen mehr profitieren. Zu dieser privilegierten Gruppe gehört die künstlerische Forschung leider weniger dazu. Nun gilt es hier trotzdem dran zu bleiben und vielleicht auch neue internationale Gefässe für die Förderung künstlerischer Forschung zu finden. Wir prüfen dazu gerade, wie eine mögliche Teilnahme an einem grossen europäischen Konsortium im Bereich «Cultural and Creative Industries» alle Disziplinen der ZHdK profitieren könnte.
Bea: Mit einem Zusammenschluss von Forschungsleitenden von schweizerischen Kunst- und Designhochschulen sind wir auf nationaler Ebene daran, die kompetitive Beziehung in eine kollaborative umzuwandeln. Ziel muss es sein, die Eigenständigkeiten der Hochschulen zu bewahren, gleichzeitig aber gemeinsam die internationale Anschlussfähigkeit herzustellen und auszubauen. Ich bin mir sicher, dass wir unsere Synergien dafür hervorragend nutzen können! Im Hinblick auf die zukünftige ZHdK-Strategie können wir aus den vergangenen Jahren lernen. Wir sollten die Perspektiven auf Internationales und auf Forschungsthemen gar nicht strikt trennen, sondern immer das grosse Ganze, nämlich die internationale Forschung, im Blick behalten. So handeln wir im Sinne der relevanten Hochschul-Akteur:innen.
Florence: Es wäre tatsächlich interessant, nach der 2023 endenden, hochschulweiten Strategie zu eruieren, wo die gemeinsamen Ziele der beiden Dossiers liegen und daraus einen strategischen Pfeiler für die nächsten fünf Jahre zu errichten. Als eine gemeinsame zukünftige Aufgabe unserer beiden Dossiers sehe ich es an, vermehrt internationale Forschungsangebote sicherzustellen. Dabei wird es allerdings wichtig sein, die unterschiedlichen Bereiche zu gewichten und aus Ressourcengründen zu priorisieren. Ich freue mich auf jeden Fall, auf die weitere gute Zusammenarbeit.