Das Sinergia-Projekt Praktiken ästhetischen Denkens, an dem die vier Kunsthochschulen der deutschsprachigen Schweiz, die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), die Hochschule der Künste Bern (HKB), die Fachhochschule Nordwest-Schweiz in Basel (FHNW) und Hochschule Luzern Design & Kunst (HSLU) beteiligt sind, beschäftigt sich mit Denkformen in den Künsten, von der Musik über Installation und Videokunst bis zu Film, Theater und Design unter dem Gesichtspunkt ihrer Praktiken.
Untersucht wird die Eigenart des künstlerischen Denkens im Vergleich zu wissenschaftlichem Denken und Forschen. Gleichzeitig wird durch die Fokussierung auf Denkpraktiken versucht, die in den letzten Jahrzehnten geführte Debatten um ‚Artistic Research‘ zu vertiefen, indem nach den philosophischen und ästhetischen Grundlagen eines angemessenen Forschungsbegriffs und der Eigenart künstlerischen Wissens- und Erkenntnisproduktion in den Künsten und durch die Künste gefragt wird.
Die Untersuchungen im Bereich Grundlagenforschung gliedern sich nach den vier Teilprojekten
- Episteme der Kunst (ZHdK)
- Das essayistische Prinzip (HKB)
- Die ästhetische Praxis der Kritik (FHNW)
- Ästhetische Bildung/Didaktik des Ästhetischen (HSLU)
Der ‚Witz‘ der Kunst behandelt nicht Humor im engeren Sinne, sondern ‚Witz‘ im weiten Sinne von Esprit oder Ingenium: gleichsam den Erkenntnis-Clou, den eine installative Anordnung, ein Experiment oder eine Performance auslöst. Der ‚Witz‘ der Kunst beschriebt also das ‚künstlerische Momentum‘ – denjenigen Augenblick, an dem ein ästhetischer Prozess zur ‚Kunst‘ wird und die Kraft eines eigenen Denkens entfaltet.
Das essayistische Prinzip widmet sich neben der Essayistik als Kunstform ebenfalls essayistischen Arbeitsweisen im Sinne einer den Künsten eigenen praktischen Versuchsanordnung mit allen Konnotationen der Vorläufigkeit, Fragmentarität und Heuristik. Gleichzeitig geht es um die Frage der Angemessenheit einer Beschreibbarkeit künstlerischer Tätigkeiten, denn wenn Kunst ‚denkt‘, erhebt sich sofort die Frage, mit welchen Mitteln das, was hier Denken heißt, erfasst werden kann. Der Essay wird so ebenfalls zur Form eines Schreibens über Kunst.
Die ästhetische Praxis der Kritik handelt sowohl von der Konstitution der Kunstkritik mit den ihr eigenen Formen der Bewertung und des Urteilens, als auch von ihrer historischen Notwendigkeit im Zuge der Gründung von Kunstfachschulen und Akademien Ende des 19 Jahrhunderts. Die Kunstkritik ist so nicht nur ein Produkt intellektueller Arbeit, die ihr Kriterium in der philosophischen Ästhetik findet, sondern gleichzeitig ein Effekt der Institutionalisierung der Kunstausbildung und ihrer Professionalisierung, wie sie heute durch eigene Hochschultypen oder Kunst-Universitäten repräsentiert werden.
Die Dimension ästhetischer Bildung entfaltet sich in zweierlei Hinsicht: Einerseits geht Bildung an Kunsthochschulen wie im Kunstunterricht von ästhetischen Praktiken aus; damit kommt sie gar nicht ohne die Strukturen des Ästhetischen aus. Ausgangspunkt der Untersuchung sind hier didaktische Figuren (Gleichnis, Modell, Lehrstück, Beispiel), die für Ästhetik und Bildung gleichermassen relevant sind. Andererseits bedient sich zeitgenössische Kunst oft didaktischer und pädagogischer Modelle, und entwirft so eigene Bildungssituationen, die als «Radical Pedagogies» beleuchtet werden.
Das Sinergia-Projekt hat so insgesamt nicht nur zum Ziel, die Arbeitsweise und Denkform der Künste zu verstehen, sondern auch die Konsequenzen für die ästhetische Begriffsarbeit, das Schreiben über Kunst, ihre Kritisierbarkeit und ihre ‚Aus-Bildbarkeit‘ zu ziehen. Es hofft auf diese Weise gleichzeitig, die Frage von Kriterien und Qualitätsgrundsätzen mit Bezug auf die „Forschung“ in den Künsten zumindest neu aufzuwerfen und Vorschläge dazu auszuarbeiten.