- In welchem Rahmen ist der Film Galaxi Urnäsch 3000 entstanden?
Elias: Der Film ist im Rahmen vom «Research 2» Seminar entstanden. Das ist ein Seminar, dass ganz am Anfang vom Masterstudium stattfindet. Die Idee ist, dass ein grosser Teil des Studienjahrgangs (Dokumentarfilm, Kamera, Editing, Produktion) zusammen eine Dokserie realisiert und sich dadurch ein bisschen besser kennenlernt. Alle reisen zusammen für 2 Wochen in die Schweizer Berge und realisieren dort einen Film über den Ort. In unserem Fall waren wir in Urnäsch im Appenzell.
- Wart ihr auch bei anderen Prozessen der Filmproduktion involviert bei diesem Film? Oder nur beim Schnitt?
Elias: Wir waren zwar mit der Crew am Drehort in Urnäsch dabei, aber wir haben uns tatsächlich nur auf das Schneiden konzentriert. Während die anderen am Drehen waren, haben wir in der Unterkunft am Schnitt gearbeitet.
Laura: Es wurde also parallel recherchiert, gedreht und geschnitten. Eine sportliche Übung für uns alle!
- Wie habt ihr als Team zusammengearbeitet? Gab es spezielle Rollen oder Verantwortlichkeiten, die jeder von euch übernommen hat?
Elias: Es ist Teil vom Konzept von diesem Seminar, dass wir eine sehr grosse Crew sind und Zusammenarbeit im Fokus steht. Es gab z.B. 4 Regiepersonen, 3 Kamerapersonen, 2 Produzentinnen, usw. Im Schnittprozess zu dritt war es wichtig, dass wir ein System haben, um uns die Arbeit aufzuteilen. Da während dem Dreh unsere Hauptbeschäftigung vor allem Schnittassistenzarbeit war, haben wir uns zuerst einfach das Material nach Kamera aufgeteilt. Das sah konkret zum Beispiel so aus: Laura kümmert sich um die Verarbeitung vom Material von Kamera A, Axel Kamera B und ich Kamera C. Das Ziel war hier zuerst alles für den Schnitt richtig vorzubereiten. Die tatsächliche Schnittarbeit war vor Ort in Urnäsch nur minimal möglich. Es gab schon den Versuch, ein paar Szenen zu schneiden und sich das Material nach Thema aufzuteilen, aber von dieser Arbeit ist schlussendlich nichts im fertigen Film gelandet. Erst als wir zurück nach Zürich kamen, hat die Schnittarbeit so richtig angefangen.
Laura: Axel und ich konnten in Zürich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht weiter schneiden wegen einem anderen Master-Seminar und daher hat Elias den Schnitt ab dann übernommen und fertig geschnitten.
- Wie habt ihr den Schnittprozess organisiert? Gab es eine bestimmte Struktur oder Methode, die ihr verfolgt habt?
Laura: Das ist eine gute Frage! Man darf nicht vergessen, dass es Teil einer Übung war. Es war für uns alle das Erste Mal, dass wir in einem so grossen Kollektiv geschnitten haben (4 Regisseure und 3 Cutter). Wir haben uns in Szenen aufgeteilt und nach und nach haben wir die Blöcke entwickelt. Jeder Cutter war mit mindestens einem Regisseur zusammen und wir haben rotiert. Während des Schnittprozesses haben wir uns häufig mit den vier Regiepersonen ausgetauscht.
Elias: Der Schnittprozess im Kollektiv war für alle Neuland. 4 Regiepersonen und 3 Schnittpersonen: Diese Erfahrung hatte keiner von uns vorher gemacht. Als konkreten Plan hatten wir einen Strukturvorschlag von den Regieleuten. In den letzten Tagen in Urnäsch wurde nämlich für die Regie klar, dass sie nicht Episoden machen wollen, wie ursprünglich der Plan, sondern einen einzigen langen Film. Sie haben dann anhand vom gedrehten Material eine mögliche Abfolge auf Papier entwickelt. Diese Struktur war unsere Grundlage. In den Regie-Schnitt Zweierteams haben wir also begonnen diese vorausgewählten Szenen zu suchen und zu schneiden. Nach diesem ersten Schritt hatten wir einen ersten Rohschnitt von den verschiedenen Szenen, die auf der Struktur vorgesehen waren. Der nächste Schritt war dann herauszufinden, wie mal aus all diesen bunt zusammengewürfelten Teilen eine Einheit schafft. Es waren ja schlussendlich sehr viele verschiedene Geschichten und Figuren. Es brauchte irgendeinen roten Faden oder ein verbindendes Element. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir ab diesem Zeitpunkt den Entscheid getroffen, dass ich als Headeditor den Schnitt weiterbegleite. Unser Gefühl war, dass es ab diesem Zeitpunkt sinnvoll war, wenn nur noch eine Person für den «Macroschnitt» verantwortlich ist und eine einheitliche Übersicht auf das Projekt hat. Die anderen konnten sich weiter auf den «Microschnitt » konzentrieren und in den Szenen selber den Schnitt verfeinern. Am Schluss habe ich dann auch das übernommen für den gesamten Feinschnitt. Da waren wir nur noch zu fünft, ich mit den vier Regiepersonen in einem Schnittraum und so haben wir die Arbeit abgeschlossen.
- Wie eng war die Regie beim Schnittprozess involviert? Das waren ja 4 Regiepersonen. Hatten sie eine genaue Vorstellung davon, wie der Film geschnitten werden soll, oder hattet ihr da viel Freiraum?
Elias: Durch die Struktur der Regie hatten wir einen definierten Rahmen, um uns zu bewegen, aber in diesem Rahmen hatten wir wiederum die Freiheit vieles auszuprobieren und natürlich auch Sachen vorzuschlagen, die nicht in der ursprünglichen Struktur waren. Einige wichtige Erzählelemente im Film - wie zum Beispiel die Weltall- und Galaxi-Ebene - sind erst im Schnittprozess entstanden.
Axel: Sie waren sehr involviert. Auf der Premiere haben sie erzählt, dass der Film im Schnitt enstanden ist. Wir hatten viel Freiraum aber gleichzeitig mussten erst die 4 Regisseur:innen eine gemeinsame Vision vom Film finden. Das ist sehr schwierig und ungewöhnlich - eine grosse Herausforderung, die selbstverständlich einen grossen Impakt auf das gesamte Team hat
- Wie habt ihr entschieden, welches Filmmaterial in den finalen Schnitt kommt? Gab es bestimmte Kriterien, die ihr angewendet habt?
Elias: Der Entscheid, welches Material wir benutzen, war oft thematisch basiert. Wir wussten auch ziemlich genau, welche Figuren und welche Erzählstränge wir folgen wollten. Formale Kriterien gab es weniger. Es wurde schon beim Dreh eine ziemlich kohärente Bildsprache entwickelt, die es uns erlaubte, frei Material zu vermischen.
- Was waren dabei die Herausforderungen und was waren, die Vorteile oder der Mehrwert zu dritt zu Schneiden?
Laura: Die Herausforderungen waren vielleicht der Schnittstil und auch der Rhythmus. Als unsere Teile zusammengesetzt waren, brauchten wir noch einen Schnitt, damit alles eine Einheit wurde. Die Vorteile waren, dass ich viel von meinen Kollegen gelernt habe, und die Diskussionen darüber, was jeder von uns sieht, oder warum wir etwas in eine Form schneiden oder in eine andere, war ein sehr interessanter Prozess.
Elias: Ich denke auch, dass es für das Projekt hilfreich war, verschiedene Perspektiven auf das Material zu haben. Es sind ja im Film sehr viele verschiedene Figuren und Orte, und da macht es Sinn, wenn es im Schnittraum auch verschiedene Perspektiven gibt. Der Film zeigt Urnäsch als Kosmos mit verschiedenen Realitäten. Da war es passend, dass es hinter der Kamera oder dem Bildschirm auch einen ganzen Kosmos an Leute gab, die am Film gearbeitet hatten.
Axel: Wir mussten oft zum Beispiel Sequenzen von anderen weiterschneiden und man konnte so viel voneinander lernen. Manchmal war es auch schwierig zu sehen, dass eine Sequenz, die ich anfangs geschnitten hatte, sich verändert. Aber das hat mich mental stärker gemacht. Im Schnitt hat die Regie das letzte Wort. Als Editor:in gewinnt man nicht alle Kämpfe. Unsere Arbeit ist ja, der Regie zu helfen, ihre Vision zu verwirklichen.
- Wie lange hat der Schnittprozess gedauert?
Elias: Die Intensive Schnittzeit war zwischen Oktober und Dezember 2023. Zwischen Januar und April 2024 haben wir dann noch sporadisch Änderungen und Anpassungen gemacht. Ende April 2024 haben wir dann der Schnitt definitiv abgeschlossen.
- Was war bei diesem Film die grösste Herausforderung im Schnitt?
Laura: Bei einem Filmprojekt ist normalerweise klar, für welche Momente eines Filmes die jeweiligen Drehtage bestimmt sind. Bei Galaxi Urnäsch 3000 war das nicht der Fall. Recherche, Dreharbeiten und Schnitt haben parallel stattgefunden. Mit diesen Voraussetzungen war es eine Herausforderung, eine einheitliche Stimme im Film zu finden, gerade auch weil so viele Menschen am Projekt beteiligt waren.
Elias: Einerseits war es eine formale Herausforderung, dass sich der Film als Einheit anfühlt, da so viele Personen am Film beteiligt waren. Und anderseits war es eine grosse Herausforderung, treu zu den Figuren und dem Dorf Urnäsch zu bleiben. Das schönste Kompliment war, dass wir bei der Premiere in Solothurn von Leute aus Urnäsch bekommen haben, dass sie das Gefühl hatten, gut repräsentiert zu sein. Einige sagten uns sogar, dass sie im Film Seiten vom Dorf entdeckt haben, die sie selber gar nicht kannten. Das war für uns das beste Kompliment, dass man bekommen kann.
Axel: Als Editor:innen hatten wir bei diesem Projekt nicht das gewöhnliche Regie-Editor:innen Tandem, wie wir es uns gewohnt sind. Bei Galaxi Urnäsch 3000 mussten wir alle unsere Aufgaben und Rollen im Prozess finden.
- Wer stand euch beratend zur Seite? Wie war hier der Prozess?
Elias: Mike Schaerer hat uns im Schnitt betreut. Aber auch Sabine Gisiger, die das Projekt leitete. Mike hat uns einmal in Urnäsch besucht und danach, als wir in Zürich weitergeschnitten haben, trafen wir Mike auch immer wieder für Feedbackrunden.
- Wie war es für euch, den Film an einem Festival zu sehen? Auf einer grossen Leinwand in einem ausverkauften Kinosaal? War jemand von euch dort?
Axel: Es ist immer wunderschön ein Projekt mit dem Publikum teilen zu dürfen. Nach so vielen Stunden im Schnittraum vergisst man manchmal, wieso man überhaupt Filme schneidet… Um Emotionen bei den Zuschauer:innen zu wecken. Gleichzeitig ist es für mich immer schwierig, den Film als fertiges Produkt zu sehen und nicht als eine neue Schnittversion. Nach der Vorstellung hatte ich Lust, neue Ideen im Schnitt zu testen.
Laura: Es war Toll, den Film in Solothurn zu sehen. Fast das ganze Team war da und vor allem fand ich es super, dass viele Protagonistinnen des Films zur Premiere gekommen sind und wir nach der Vorführung ein kleines Konzert auf der Bühne hatten. Ich denke, so eine interessante Premiere hat man nicht so oft.
Elias: Ich finde es immer spannend den Film in diesem Kontext im Kino zu sehen. Man erlebt ihn ganz anders, wie durch die Augen der Zuschauer:innen. Im Schnittraum wird ja viel über die Zuschauererfahrung geredet, aber man kann ja zu diesem Zeitpunkt nur spekulieren. Es ist darum sehr lehrreich, die Zuschauererfahrung mitzuerleben. Man kann endlich überprüfen ob z.B. dieser Moment tatsächlich lustig ist.
- Wie finden an der ZHdK im Normalfall Regie und Editor:in zusammen? Wie ist hier der Prozess?
Elias: Es kann sehr unterschiedlich sein. Meistens wird man als Filmeditor:in von anderen Student:innen angefragt. Aber es gibt auch Fälle, wo man selber auf andere Studenten zugeht, weil man ihre Arbeit spannend findet und gerne mit Ihnen arbeiten würde. Man kann auch externe Projekt annehmen und diese trotzdem im Rahmen vom Studium schneiden. Es ist sehr viel möglich.
- Was gefällt euch am besten am Masterstudium an der ZHdK?
Axel: Ich liebe es hier jeden Tag etwas Neues zu lernen: im Schnitt mit Regisseur:innen oder im Seminar mit Dozent:innen/Kolleg:innnen. Ich finde den Mastereditingstudengang sehr gut strukturiert und wunderbar geleitet von Mike Schaerer.
Laura: Das Wichtigste sind die Menschen. Unser Dozent Mike Schaerer begleitet uns durchs Studium. Es ist toll, dass uns Mike Schaerer durchs Studium begleitet und dass wir von ihm viel lernen. Das ist wirklich ein Privileg. Der Austausch mit dem gesamten Film Department, Dozierenden und Studierenden, macht den ganzen Lernprozess zu einer bereichernden Erfahrung.
Elias: Mir gefällt die Freiheit, die wir haben, uns in der Praxis zu vertiefen. Es gibt viele spannende Seminare, aber es bleibt auch viel Zeit übrig, um einfach Filme zu schneiden. Der grosse Pluspunkt ist auch die Begleitung, die wir haben in diesen Schnittprozessen. Man kann jederzeit mit Mike Schaerer, unser Schnittdozent, ein Feedback Termin abmachen oder für die Diplomfilme kann man sogar eine oder einen externe:n Mentor:in anfragen. Das ist sehr wertvoll und ein Privileg so begleitet zu werden.
- Habt ihr einen Geheimtipp für’s Toni für jemand, der im Herbst neu an der ZHdK studieren wird?
Axel: Günstige Kaffeekapseln kaufen...Es gibt viele Kaffeemaschine im Toni, dort kann man die Kapseln benützen. Man braucht sehr viel Kaffee für das Schneiden von Filmen.
- Wem würdet ihr einen Master Studiengang im Editing empfehlen?
Elias: Der Studiengang ist grundsätzlich für alle, die ein Interesse für Bild und Tonsprache haben. Wenn man gerne Geschichten erzählt und gleichzeitig auch Interesse für Technik hat, sind das perfekte Voraussetzungen. Eine Fähigkeit für Teamarbeit und Geduld sind natürlich auch sehr wichtig.
Laura: Menschen mit Motivation und Leidenschaft für die Filmwelt, mit Interesse an der Entwicklung der filmischen Narration und für Menschen, die gerne Zeit an Schnittplätzen verbringen.
- Schlussbemerkungen von eurer Seite?
Laura: Ich empfehle den Master unbedingt, wenn man direkten Kontakt zur Schweizer Filmbranche haben will.
Axel: Ich denke, wir haben hier einen “Picture-Lock.”