- Stellt euch zuerst kurz vor, wer seid ihr und was ist eure Aufgabe beim Klub Kuleshov?
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Micha: Ich bin Micha. Ich mache die Rechtsabklärung für den Klub Kuleshov und leite zusammen mit Frédéric die Programmation des Klubs. /// Frédéric: Ich bin Frédéric und neben der Programmation organisiere ich den Kioskbetrieb. Wir beide sind seit fünf Semestern dabei. Ich bin mit dem Kiosk eingestiegen und habe später die Programmation des Klubs übernommen. Aktuell ist unser letztes Semester, danach werden unsere Nachfolger:innen den Klub Kuleshov weiterführen. /// Julia: Ich bin Julia, ich fungiere bei den Vorstellungen des Klub Kuleshov als Operateurin. Manchmal zeige ich auch 35mm-Projektionen. Das mittlerweile selten gewordene Know-how dafür habe ich mir für den Klub angeeignet. In Zürich gibt es nur zwei Kinos, die die alten Filmrollen noch zeigen können – und eben das Kino Toni.
- Wie ist der Klub organisiert? Wie werden Entscheidungen getroffen?
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Micha: Wir sind demokratisch organisiert und so werden auch Entscheidungen getroffen. Für die Programmation ist ein Kernteam von zehn Leuten beteiligt. Wir bringen alle Ideen ein für neue thematische Zyklen und wählen vier davon aus. Danach suchen wir zu diesen vier Zyklen Filme, schlagen unsere Favoriten vor und diskutieren, welche davon am besten ins neue Programm passen. Danach wählen wir demokratisch je drei bis vier Filme pro Zyklus aus. Sobald klar ist, welche Filme wir zeigen möchten, kläre ich dafür die Rechte ab. Danach beginnt die Kommunikation des neuen Programmes, bevor wir die Filme dann während des Semesters im Kino Toni zeigen.
- In welchem Rahmen werden diese Entscheidungen getroffen, habt ihr regelmässig Sitzungen?
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Micha: Gegen Ende des Semesters beginnen wir, für das nächste Semester zu planen. Dann treffen wir uns meistens für zwei, drei Monate alle zwei Wochen und stellen das Programm zusammen. Wenn das Programm steht und wir die Rechte bekommen haben, ist die grösste Arbeit getan. Dann wird der Flyer designt, die Plakate werden gedruckt.
- Wie meistert ihr die grössten Herausforderungen bei der Selbstorganisation?
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Frédéric: Es ist eine Herausforderung alles zeitlich so zu organisieren, damit es rechtzeitig bereit ist zu Beginn des Semesters. /// Micha: Weil das Programm demokratisch von zehn Leute zusammengestellt wird, ist es jeweils eine Herausforderung, ein kohärentes Programm zusammenzustellen, das inhaltlich Sinn macht und gleichzeitig bei 14 bis 16 Filmen pro Semester vielfältig genug ist. /// Julia: Und vor allem, wenn wie dieses Mal so viele Filmvorschläge gemacht werden, finde ich es noch schwieriger. Es braucht dann sehr viel Zeit, um über alle Filme zu diskutieren, was uns aber auch sehr wichtig ist.
- Was bedeutet es für euch, Teil des Klubs zu sein? Was habt ihr durch das Engagement gelernt?
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Frédéric: Die Möglichkeit zu haben, einen Event dieser Grösse organisieren zu dürfen, das ist schon sehr toll und da habe ich sicherlich viel gelernt dabei. /// Julia: Das Vorführen von 35mm-Filmen und DCP’s, das konnte ich vorher nicht. Letzteres hat mir auch zu meinem Job in einem Kino verholfen.
Ich mache oftmals die Ansagen zu Beginn der Filmvorführungen und habe gelernt, vor so vielen Menschen zu sprechen. Nach jedem Screening ist es mir einfacher gefallen, so eine Ansage zu machen. /// Micha: Es ist sehr schön, dass wir dank des Klub Kuleshovs an der ZHdK eine kleine Filmgemeinschaft haben. Es hat viele, die kommen regelmässig am Dienstagabend unseren Film schauen. Die Möglichkeit, Filme unserer Wahl im Kino zu zeigen, finde ich super. Oft für ein ziemlich grosses Publikum. Das ist nicht selbstverständlich. Und ich habe auch gelernt, wie man 35mm-Filme vorführt. Das finde ich sehr cool. Etwas, das man heutzutage nicht an vielen Orten lernen kann. Ich verstehe nun, wie man ein Kino leitet. /// Frédéric: Ich finde es toll, dass es diese Community gibt, Menschen, die du immer wieder am Dienstagabend triffst. Es hat sich eine Gemeinschaft gebildet. Das merkt man gut daran, wie unsere Ansagen zu Beginn der Vorstellung aufgenommen werden.
- Kommen auch Leute, die nicht Film studieren?
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Frédéric: Fast ausschliesslich. Die Vorstellungen werden vor allem von Leuten anderer Studiengänge besucht. Nach der Vorstellung entstehen Gespräche im Foyer, es findet ein Austausch statt. Es wird noch über den Film diskutiert, das finde ich schön.
- Warum habt ihr beschlossen, im Klub mitzuwirken?
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Frédéric: Ich habe ein paar Mal Vorstellungen besucht und dann wurde ich gefragt, ob ich mitwirken möchte und so bin ich reingerutscht. /// Julia: Auch ich habe den Klub Kuleshov besucht und fand es cool, mitzubestimmen, welche Filme gezeigt werden. Daher wollte ich mitwirken. Als ich eingestiegen bin, ist das Ämtli der Operateurin frei geworden. Ich habe mich sofort dafür begeistern können.
- Was ist für euch der grösste Mehrwert bei diesem Engagement im Klub?
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Micha: Für mich ist der grösste Mehrwert, einen Einblick zu bekommen in die Filmindustrie, etwas zu lernen über die Rechtedistribution von Filmen. Ich habe gelernt, Rechteabklärungen zu machen und konnte Kontakte knüpfen mit Schweizer Filmverleihen. Vielleicht kann ich das später einmal brauchen. Ich fand es spannend zu sehen, welche Filme das Publikum sehen möchte, welche besser funktionieren als andere. Dieses Wissen wird mir vielleicht helfen, wenn ich selbst Filme mache. /// Julia: Für mich ist der grösste Mehrwert, Filme ins Kino zu bringen, die sonst nicht oder zumindest nicht mehr auf der grossen Leinwand gezeigt werden. Es ist ein grossartiges Gefühl, wenn du «deinen» Film auf der grossen Leinwand siehst, der Kinosaal ist voll und du weisst, diese Menschen haben alle Lust, diesen Film zu schauen. Das macht mich glücklich.
- Man sagt ja, die Kinos sterben aus, aber bei euch ist der Saal fast immer voll. Was ist euer Geheimrezept?
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Micha: Es ist schon ein anderes Erlebnis, einen Film auf der grossen Leinwand zu sehen statt zuhause auf dem Laptop. Es ist ein gemeinsames Erlebnis, der Applaus oder das gemeinsame Lachen verbinden. Und weil wir alle an der ZHdK an einem Ort sind, an dem alle Menschen kunstbegeistert sind und dieses Erlebnis zu schätzen wissen, haben wir sicher einen Vorteil. Wir können mittlerweile aber auch gut abschätzen, welche Filme gut im Kino funktionieren, wir kennen unser Publikum, da wir selbst Teil davon sind. /// Frédéric: Vor drei Jahren, als wir begonnen haben, waren es im Schnitt 26 Leute pro Screening. Und jetzt sind es im Schnitt 80 Personen. Wir haben versucht, eine Community aufzubauen: An jeder Vorstellung gibt’s zum Beispiel ein Plakat zu gewinnen. Und wir machen bei jeder Vorstellung eine Ansage. Wir versuchen ausserdem ein Programm zusammenzustellen, wo für alle etwas dabei ist. Der Klub Kuleshov ist ein Ort der Begegnung geworden, wo sich Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen innerhalb der ZHdK treffen.
- Was könnt ihr zum neuen Programm sagen?
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Micha: Es gibt wieder vier Zyklen, dieses Mal sehr unterschiedliche. Wir beginnen mit Musicals/Musikfilmen, darunter der Klassiker «Singin' in the Rain» (1952). In unserem Metafilm-Zyklus darf sicher «Close-Up» (1990) von Abbas Kiarostami nicht verpasst werden. Für die Genrefans zeigen wir Cronenbergs «Videodrome» (1983). Dann kommt der etwas wildere Zyklus «Extreme Cinema», mit dem Debütfilm «Revenge» (2017) von Coralie Fargeat (Regisseurin von «The Substance») und natürlich dem einzigartigen «Nowhere» (1997) von Gregg Araki. Den Schluss bildet der Zyklus «Lost in Your 20's», der von Drama über Thriller zu Comedy alle Seiten dieses Themas behandelt, mit «Palm Springs» (2020) heissen wir dann den Sommer willkommen. Wir werden dieses Semester auch wieder einige Filme auf 35mm zeigen, nicht verpassen!