10-13h
Sigrid Adorf & Ines Kleesattel (ZHdK):
mythic_beings. Kriterien in Performance and Autotheory
Input, Lektüre und Diskussion
14-17.30h
Verena Melgarejo Weinandt (Universität der Künste Berlin) & Laia Ribera Cañénguez (Berlin):
Boarderlands
Workshop
18-19.30h
Filipa César (Merz Akademie Stuttgart):
Cine-Kinship. Film as Assembly
Vortrag und Diskussion per Zoom;
Interessierte melden sich bitte an bei: leonie.sueess@zhdk.ch
Ästhetische Kulturen – Herbstakademie: Die »Ich-Funktion« in der Theorie und das Schreiben aus (m)einem Körper
»theory can do more the closer it gets to the skin« (Sara Ahmed, 2017)
»When I say ›I,‹ usually I mean ›I in a plural way.‹ If you come from a Chicana/Latina identity, it's an identity that's in part collective and relational, so that the ›I‹ doesn't stand by itself. Behind the ›I‹ is the community, it's a plural kind of I. When I say ›we‹ I don't mean a universalized we, I mean a singular we ... The ›we‹ becomes singular and the ›I‹ becomes plural.« (Gloria Anzaldúa, 1994)
Das Subjekt ist verschwunden, der Autor tot ... und trotzdem ist das »Ich« als Praxis eines situierten Theorie-Schreibens höchst lebendig; spätestens seit Maggie Nelsons ›The Argonauts‹ 2015 offensiv als »Autotheorie« beworben wurde und Paul B. Preciados ›Testo Junkie‹ (2008/2016) körperpolitisch autofiktional Schluss machte mit »der Folgenlosigkeit von Theorie für das Leben« (Daniel Loick). Dieses spezifische Ich-Schreiben geschieht dabei keinesfalls wider besseren Wissens,
also der grundlegenden poststrukturalistischen Dekonstruktion der Ich-
Perspektive. Im Gegenteil, dieses »Ich«, das hier geschrieben-werdend schreibt
»hat an das autarke Ich nie geglaubt«; ist Teil einer Selbstermächtigungsstrategie;
ist »Ich-Funktion« (Isabell Mehl). Es ist offenkundig sozial, diskursiv und materiell verstrickt, so relational wie prekär, und ›first of all‹, eine Aussageform und Mit-teilung, ein Angebot zur Teilhabe an einer singulären Sicht.
Die kritische Potentialität einer solchen Ich-Funktion zu nutzen, ist nicht erst eine Erfindung von queer-feministischen Theoretiker*innen der 00er und 10er Jahre. Sie geht wesentlich zurück auf Schreibpraktiken und Theorien einer älteren Generation von Feminist*innen (of Colour), deren Schreiben ein zwangsläufig situiertes war: Für Gloria Anzaldúa, Audre Lorde oder Adrienne Rich stand der universalistische Standpunkt eines nicht-markierten, nicht-verkörperten Subjekts schlicht nicht zur Verfügung. Dass ihr Schreiben auf nicht abzuschüttelnde Weise mit Lebensweltlichem und Körperlichem verstrickt war, auf nicht neutralisierbare Weise verortet, rassifiziert, sexualisiert und behindert wurde, machten sich Autor*innen wie sie zum wissenspolitischen Vorzug, zum »Privileg der partialen Perspektive« (Haraway): Ihre schreibend-geschriebenen Ichs wurden semiotisch-materiell konstruktiv; praktizierten ein relationales, verletzliches Schreiben..
»Forget the room of one’s own – write in the kitchen, lock yourself up in the bathroom...I write while sitting on the John. ... While you wash the floor or clothes, listen to the words chanting in your body. When your’re depressed, angry, hurt, when compassion and love posess you. When you cannot help but write.« (Anzaldúa, 1980)
In Textdiskussionen, Vorträgen, Inputs und Workshops fragen wir im Rahmen der Herbstakademie nach ästhetischen Formen, zeitgeschichtlichen Kontexten und wissenspolitischen Potentialen von »Ich-Funktionen«, verkörpertem Schreiben und situierter Theoriepraxis. Welche ästhetischen Strategien des Ich-Sagens lassen sich in verschiedenen Zusammenhängen differenzieren? Wie verhalten sich dabei Empfinden und Wahrnehmen zum Schreiben und Theoretisieren? Wann wird welches »Ich« zu welchem »Wir« und welches »Wir« zu welchem »Ich«? Welche Rolle spielen dabei »Du«, »Ihr« und die »Anderen«? Was können wir – die Teilnehmende der Herbstakademie, als Studierende, Lehrende, Vermittler*innen, Kritiker*innen, Kulturtheoretiker*innen und Schreibpraktiker*innen – lernen vom Ich- schreiben Azaldúas oder Preciados? Vom Schreiben aus (m)einem Körper?