Untersuchung von materiellen und ästhetischen Auswirkungen zunehmend digitalisierter Methoden der Datengewinnung, -selektierung, -auswertung und prozessierung auf den Forschungsbetrieb
Die fortschreitende Digitalisierung durchdringt sämtliche Lebensbereiche und hat auch weitreichende Folgen für die Praxis der Biologie und der Kunst. In den Naturwissenschaften wird ein Wandel von der theoriegeleiteten zur datengetriebenen Forschung beobachtet, die, so wird behauptet, nicht nur eine weitere technologische, sondern eine «epistemologische Revolution» sei. Das vorliegende Vorhaben geht dieser Entwicklung nach und nimmt in fünf parallelen Teilstudien die Forschungspraxis zweier Arbeitsgruppen in den Blick, die im Bereich der Verhaltensbiologie bei Fischen arbeiten. Beide Laboratorien sind Forschungspartner dieses Projekts und kooperierten bereits mit dem Vorgängerprojekt Überschuss (2007-2009). Anhand dieser Laborbeispiele auf Helgoland und in Austin, Texas, fragt das Projekt Computersignale nach den konkreten Auswirkungen, die die Methoden zunehmend automatisierter Datengewinnung, -selektierung, -auswertung und -prozessierung auf den Forschungsbetrieb, seine Organisation und Handlungen haben. Daran schliessen sich die Fragestellungen der Teilstudien in den Fachgebieten Bildende Kunst, Wissenschaftsforschung und -philosophie, Medien- und Kunstwissenschaft an. Wie lassen sich Datenprozesse, die im Innern von «black boxes» ablaufen, beobachten, dokumentieren und wahrnehmbar machen? In den letzten 25 Jahren kam in der Analyse von Erkenntnisprozessen dem empirischen Experiment und den darin instrumentell erzeugten, materiellen Spuren - zu denen auch die Bilder zählen - eine zentrale Rolle zu. Unter den neuen Voraussetzungen, in denen in optischen Sensoren zwar weiterhin Bilder produziert, aber häufig nicht mehr als Bilder, sondern als Daten weiterverarbeitet werden, übernimmt diese Rolle die «Datenarbeit». Was kann unter dem Begriff «Datenarbeit» verstanden werden? Wie lässt sich der Status des Computers beschreiben, der zwischen den verschiedenen analogen und digitalen Arbeitsschritten menschlicher und nicht-menschlicher Akteure nicht nur medial vermittelt, sondern diese wechselseitig konfiguriert? Was bedeutet ein sich anbahnender Schwund der Bilder in den Naturwissenschaften für die Kunst und für die Kunstwissenschaft? Die vorgeschlagene Herangehensweise der Kunst überprüft in der Praxis die angestrebte Verhandelbarkeit ihrer Zwischenergebnisse in einer von einer Vortragsreihe begleiteten Ausstellung nach dem ersten Drittel der Forschungsarbeit. Die im Austausch mit einem erweiterten Fach- und Laienpublikum gewonnenen Erkenntnisse dienen einerseits der Weiterentwicklung der auf Helgoland und in Austin eingerichteten künstlerischen Experimentalanlagen. Andererseits präzisieren sie die ästhetischen und zusammen mit den weiteren Studien die theoretischen Zugänge zu anderen, meist unsichtbaren aber wirkungsmächtigen digitalen Vorgängen im Lebensalltag, etwa zu Raumkontrolle oder Steuerung von Produktions- und Konsumwelten.
Die fünf parallel geführten Teilstudien sind geleitet vom Interesse, den Fragestellungen und den Methoden der Forschungspersonen sowie von den Spezifika ihres Fachgebietes. Die gemeinsame Theoriebildung orientiert sich an Stichworten wie «analog/digital», «Datum/Faktum», «(Eigen-) Mächtigkeit des Computers», «Konfigurationen». Als Resultat des Forschungsprojekts entsteht ein polyperspektivisches Bild des Forschungsgegenstandes, das in mehreren Ausstellungen, einer Vortragsreihe, einer Tagung und in einer Buchpublikation vermittelt und diskutiert wird.