«Ich sitze im Bewerbungsgespräch für das Projekt ‹die Kunstnäher_innen› und formuliere eines meiner Bedenken an der Anlage des Projektes. Meine Formulierung lautet in etwa so:
Wenn es am Ende des Projektes für die Jugendlichen ein Teilnahmezertifikat gibt, welches sie bspw. in ihre Bewerbungsmappe stecken können, riskiert man damit nicht, ein weiteres dieser ‹Um-Zu Vermittlungsprojekte› zu werden, das künstlerische Verfahren instrumentalisiert um ein von Anfang an festgestecktes Ziel konstant zu verfolgen?
Ich werde darauf hin mit der Frage konfrontiert, ob es für mich vorstellbar sei, in einem Projekt zu arbeiten, dass sich explizit auch an Jugendliche richtet, die nur der Bezahlung und des Zertifikates wegen teilnehmen. Nach dem Hintergedanken dieser Setzung befragt, bekomme ich die Erläuterung, dass die Projektverantwortlichen nicht die – bzw. die eine gültige – Motivation vorgeben möchten, die eine Teilnahme ermöglicht. Mir leuchtet diese Begründung völlig ein.
5 Monate später sitze ich einer Schulklasse gegenüber und stelle das Projekt ‹die Kunstnäher_innen› in einem Workshop vor. Aus der latenten Sorge heraus, nicht genug Jugendliche für unser Projekt begeistern zu können, versuche ich – zwar halbwegs realistisch, doch hoffnungslos übervorsichtig mit säuselnd anbiedernden Tonfall – zu beschreiben, was wir alles Tolles gemeinsam tun werden und wieviel Freiraum zur Mitbestimmung wir einräumen möchten. Das Thema Bezahlung spreche ich dabei nicht an, kurz vor Schluss erwähne ich immerhin noch schnell, dass wir die Fahrtkosten und Eintrittsgelder erstatten können. Ich weiss nicht, wie ich über die Bezahlung sprechen soll, ich sehe die Notwendigkeit nicht ganz, die Jugendlichen dafür zu bezahlen, dass wir gemeinsam Veranstaltung besuchen und Workshops machen. Ich habe das Gefühl, eine geschickte Formulierung finden zu müssen, damit nicht das Geld als einziges Lockmittel in Erinnerung bleibt.
Bei ebendiesem Workshop werde ich mit der Frage konfrontiert, ob wir denn auch gemeinsam bspw. ein Fussballspiel oder ein Konzert von Bushido besuchen können.
Ich eiere um eindeutige Antworten herum und versuche mich einer definitiven Aussage zu entziehen. Bushido geht irgendwie gar nicht, aber ich habe doch eben gerade das Versprechen abgegeben, dass die Jugendlichen selber mitentscheiden können, auf welche kulturellen Veranstaltungen sie Lust haben.
Ein paar Tage später sitzen wir zur monatlichen Reflexionssitzung im Team zusammen. Die Frage kommt auf, wie die Jugendlichen auf den Geldaspekt reagieren. Katarina (die ein ähnliches Prinzip des Nicht-Sagens und Nur-am-Rande Erwähnens in ihren Workshops ausprobiert hat) und ich kommen abermals ins Begründungsschlingern, beide fühlen wir uns recht blöd ertappt. Es gibt keine langen Diskussionen mehr über den Umgang der Thematik Bezahlung, am Ende der Sitzung steht die Abmachung, dass wir in den kommenden Workshops offensiv mit dieser Information an die Jugendlichen herantreten.
In den folgenden Workshops beschreiben wir uns als Forschungsprojekt. Als eines, dass Jugendliche zur Mitarbeit sucht und diese selbstverständlich entlöhnt wird. Wir beschreiben, dass wir den Rahmen und das Interesse vorgeben, dass innerhalb dieses Rahmens Platz und Notwendigkeit für aktives Mitdenken und Mitgestalten ist. Der erwartete Aufschrei der Jugendlichen über das erwähnte Geld bleibt aus, wirklich zu interessieren scheint sie dieser Fakt nicht.
Ich staune über die Handlungsfähigkeit, die mir diese neue Art des Offenlegens unseres Interesses gibt.»
Frederike Dengler (Projekt: Die Kunstnäher_innen)
«Wir von Art.School.Differences verstehen Kunsthochschulen als relativ autonome Felder, die von den Zwängen und Möglichkeiten anderer gesellschaftlicher Sphären wie Arbeitsmärkte, Kunstwelten und des politischen Systems durchzogen sind. Kunsthochschulen sind Teil des Machtfeldes und können keine politische Neutralität in Anspruch nehmen, sondern sind in kulturelle, ökonomische und soziale Abhängigkeitsverhältnisse verstrickt. Im Falle der Aufnahmeverfahren meint dies, dass wir im Sinne einer reflexiven Unentschiedenheit weder für das gegenwärtige elitäre System mit strengen Auswahlverfahren noch für die Aufhebung jeglicher Eintrittsprüfungen optieren, sondern vielmehr die jeweiligen Handlungsspielräume, Ein- und Ausschlüsse analysieren, die sich durch die kontingenten Ausprägungen dieses Feldes offenbaren.»
Philippe Saner (Projekt: Art.School.Differences)