Insofern sich künstlerische Praktiken sozialen Praktiken wie Forschung oder Aktivismus immer weiter annähern, bedarf es auch in der ästhetischen Theorie einer verstärkten interdisziplinären Zusammenarbeit. Der Begriff des Handelns, der die Schnittstelle der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen bildet, soll im Zuge des Projekts in seiner Dichte und Erklärungsmacht im Zusammenhang mit aktuellen ästhetischen und soziologischen Fragestellungen gesteigert werden. Dazu wird gefragt, wie Künstler:innen heute arbeiten, forschen und in politische Debatten intervenieren.
Die Geschichte ästhetischer Theoriebildung stellt seit der Antike verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, das Handeln von Handwerker:innen, Designer:innen und Künstler:innen philosophisch zu erläutern. Von Begriffen der Poiesis, Praxis und Techne, Konzepten der Rhetorik und Poetik über Fragestellungen nach dem Schöpferischen im Mittelalter bis hin zu den inneren Bewegungen des künstlerisch handelnden Subjekts und Fragen kollektiver Intentionalität gibt es eine Vielfalt an Vorschlägen und Definitionen künstlerischen Handelns.
Allerdings sind diese im 20. Jahrhundert durch die Prominenz rezeptions- und werkästhetischer Theorieströmungen immer mehr zu randständigen Denkfiguren geworden. Die Rezeptionsästhetik lenkte die Frage nach dem „Tun“ der Kunst vor allem auf Wahrnehmung, Urteile und ästhetische Erfahrungen. Objektästhetische Fragestellungen wiederum fokussierten auf das vom Tun hervorgebrachte Resultat und materielle Artefakt.
Demgegenüber versprechen handlungstheoretische und prax(e)ologische Sichtweisen heute neue und ganzheitlichere Beschreibungsmöglichkeiten der Künste. Diese haben den Vorteil, dass sie nicht nur die durch Künstler:innen ausgeführten Handlungen im Sinne einer neuen Produktionsästhetik inkludieren, sondern dabei auch die zuvor theoretisch zentrierten Erfahrungen und Artefakte nicht ausschließen, sondern als materielle Bedingungen für künstlerisches Handeln mitdenken. Solch integrative, prax(e)ologische Ansätze erscheinen auch deshalb geboten, weil sie Künstler*innen zeitgemäßer in den Blick nehmen: als Akteure, die weder bloß Objekte, noch ästhetische Erfahrungen produzieren, sondern ganz wesentlich auch die sozialen Zusammenhänge gestalten wollen, in denen sie agieren.
Das Forschungsprojekt systematisiert handlungstheoretische und prax(e)ologische Kunsttheorien, erweitert diese und bringt internationale Forschende zum Thema im Rahmen der Forschungsgruppe „Artistic Action Study Group“ zusammen. Im April 2024 wurde ein zweitägiger Workshop der Gruppe an der ZHdK veranstaltet. Aktuell wird dazu ein Sammelband vorbereitet, der Perspektiven auf künstlerisches Handeln aus der philosophischen Ästhetik, Kunsttheorie und Soziologie versammelt und im Mai 2025 Open Access im Transcript Verlag erscheinen wird. Der Begriff des Handelns, der die Schnittstelle der an dem Band beteiligten Wissenschaftsdisziplinen bildet, soll darin in seiner Dichte und Erklärungsmacht im Zusammenhang mit aktuellen ästhetischen und soziologischen Fragestellungen (beispielsweise nach ethischen und aktivistischen Impulsen in den Künsten) gesteigert werden. Mit dem Band wird zudem die Reihe „Praktische Kunstphilosophie“ im Transcript Verlag initiiert, die Prof. Judith Siegmund und Prof. Anke Haarmann herausgeben und über die das Projekt über die ZHdK hinaus nachhaltig sichtbar wird.
Der Band steht auch bei der nächsten Tagung der „Artistic Action Study Group“ im Mai 2025 zur Diskussion. Die Tagung wird dieses Mal in Kooperation mit der ZHdK an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle stattfinden, die inhaltliche Vorbereitung und Organisation obliegt Marie Rosenkranz gemeinsam mit Prof. Marita Tatari.