Das Projekt fragt wie Propaganda als Versuch, öffentliche Meinungen hervorzubringen und zu transformieren, sich in den zeitgenössischen Künsten abbildet. Wie dienen die zeitgenössischen Künste als Vehikel von Propaganda, und wie kann Propagandakunst im Horizont des gegenwärtigen „turns“ hin zu intervenierenden ästhetischen Praktiken verstanden werden? Es wird angenommen, dass Propagandakunst eine longue durée im Hinblick auf die Moderne besitzt und als Phänomen der Funktionalisierung der Künste operiert – von den „Rändern zur Welt“ in diese eingreifend.
Ein Schwerpunkt des Projekts liegt auf Fragen der politischen Öffentlichkeit und Demokratie. Ob als destruktive Kraft der Lüge, als Desinformation, Manipulation, Agenda Setting, Framing, Gate Keeping, oder Agitation: Propaganda wird als Gefahr für Deliberation wahrgenommen, selbst wenn die Techniken, Methoden und Ziele divergieren. Indem Propaganda Deliberationsprozesse verzerrt, gefährdet sie normative Ordnungen der Freiheit, so die Kritik der Moderne (Lee, Löwenthal, Chomsky/Herman, Stanley). Mit dieser Perspektive korrespondiert, dass auch die Rede von „totalitärer Propaganda“ (Arendt) ein entscheidender Fluchtpunkt bleibt und neue Relevanz erfährt. Propaganda unterminiert die Wahrheit und den epistemischen Bezug der Demokratie, sie zielt aber auch auf die Zerstörung einer gemeinsam geteilten Welt, sie „stößt [das Subjekt] […] in die Verlassenheit“ (Arendt). Propaganda wird zum Krisensymptom der Demokratie, sie evoziert einen Gegensatz zur demokratischen Praxis – als Offenheit und Unbestimmtheit.
Das Projekt diskutiert Fallbeispiele aus globalen Kontexten und an der Schnittstelle zwischen ästhetischer Theorie, Kunstwissenschaft und Propagandastudien, um die ästhetischen und demokratietheoretischen Voraussetzungen und Folgen von Propagandakunst zu diskutieren. Es wird davon ausgegangen, dass Propaganda einerseits als negative Fremdzuschreibung operiert, andererseits auch im Kontext von Agitprop, Kunstaktivismen und digitalen Plattformaktivismen zum Tragen kommt. Propaganda wird zum wirklichkeitsstiftenden Prinzip der Kunst: „[It] teach[es] the art of world-making“ (Staal). Dabei verweist die Diskussion auch auf Fragen der Repräsentation, Medialität und Ikonizität – immerhin haben sich bereits die Formenrepertoires der Moderne der pauschalen ideologischen Reduktion entzogen (Ryklin). Ästhetische Propaganda ist Bedeutungsträger und Machtinstrument, doch zugleich polysem, von Opazität und Unbestimmtheit geprägt – weshalb ihre transformative Kraft an ästhetische Differenz gebunden bleibt.