Bewegungskulturen und Lebenswissenschaften im frühen 20. Jahrhundert
Alexander Kamber
Das kulturwissenschaftliche Dissertationsprojekt erforscht die Beziehungen zwischen Körpern und ihren Umgebungen in modernen Bewegungskulturen – von Tanz und Theater bis zu Gymnastik und frühen Körpertherapien. Diese Praktiken werden in den Kontext eines aufkommenden ökologischen Denkens im frühen 20. Jahrhundert eingebettet, wobei die Verflechtungen mit den Lebenswissenschaften – Medizin, Psychologie und Biologie – im Zentrum der Untersuchung stehen.
Mit der Frage nach den «Ökologien des Körpers» beleuchtet das Projekt, wie das Lebendige um 1900 sowohl in den Bewegungskulturen als auch in den Lebenswissenschaften im dynamischen Wechselspiel mit seiner Umgebung konzeptualisiert wurde. Der Ansatz entwickelt ein denaturalisiertes Ökologiekonzept, das über konventionelle Naturvorstellungen hinausgeht und die Einbettung der Körper in psychologische, soziale und technologische Umwelten berücksichtigt. An den Schnittstellen zwischen Bewegungspraktiken und lebenswissenschaftlichen Diskursen wird sichtbar, wie sich mechanistische und vitalistische Ansätze gegenseitig durchdringen – ein Prozess, der im Kontext der zunehmenden Verwissenschaftlichung, Ästhetisierung und Politisierung des Körpers stattfindet, kurz vor dem Aufkommen kybernetischer Technologien.
Methodisch verbindet das Projekt Wissens- und Körpergeschichte mit Diskursanalyse und Praxeologie. Konkret untersucht werden ausgewählte Bewegungsphänomene wie der Hypnosetanz an der Schnittstelle von Okkultismus und Experimentalwissenschaft, künstlerische und heilpädagogische Tanz- und Gymnastikmodelle der Lebensreform sowie frühe Ansätze körperbasierter Psycho- und Gestalttherapie.
Das Dissertationsprojekt wird vom SNF (doc.ch) gefördert.