Allem voran ist XENOLANDSCAPE eine Auseinandersetzung mit dem sich
Auseinandersetzen. Präziser formuliert ist das vorliegende Werk ein Versuch, die
Kategorien von Methodologie, Inhalt und (autonomer) Autorschaft ein stückweit zu
überwinden. Dabei wird der scheinbar primäre Forschungsgegenstand – hier als Diskurs
um «Landschaft» – oft nur latent oder mittelbar diskutiert. Die Arbeit ist also kein
Schreiben über die und Zeigen der Xenolandschaft, sondern ein experimentelles
Praktizieren dieser: Sich zu verlandschaften bedeutet, die distanzierte Position eines
Ausserhalbes zu verlassen und sich stattdessen mit der Landschaft wahrzunehmen. Das
Präfix «xeno-» soll hier betonen, dass das Aufgeben einer objektiven Betrachtung von
aussen oder von oben zu einer Entfremdung der eigenen Position führt, wobei auch das
wissende Subjekt seinen Status des Wissenden gewissermassen verliert. Wenn ich mich
als Teil dessen verstehe, was ich darzulegen versuche, verändert das grundlegend die
Beziehungsweisen zwischen Autorschaft und Werk, zwischen Beschreibendem und
Beschriebenem. In diesem Sinne ist die Xenolandschaft also kein Theorem, sondern ein
Modus der Reflexion. Sie formuliert keine Episteme, sondern vielmehr eine Haltung; eine
Art und Weise, sich auf etwas zu beziehen – oder etwa sich in Beziehung zu setzen (to
relate to). Dabei werden die Kategorien von Forscher:in, Forschungsgegenstand und
Forschungsmethoden in Frage gestellt, wenn nicht sogar überwunden oder zumindest
verwirrt. Kurzgefasst: Der Forscher* findet nicht einen Gegenstand, welchen er dann mit
seinem bereits mitgebrachten Werkzeugkasten analysiert. Stattdessen findet der
Gegenstand irgendwie den Forschenden, und dieser findet und verliert sich gleichzeitig
selber im Gegenstand. Sein bisheriges Werkzeug war ein Fernrohr, ausgelegt auf einen
distanzierten Blick. Da er plötzlich mitten im Geschehen ist, kann sein Blick kein grosses
Ganzes mehr erfassen, er kann keinen Sinn mehr ausfindig machen. So muss er nun – im
Zusammenwirken mit der Landschaft – neue Methoden des Verstehens erarbeiten, oder
aber seine Genugtuung im Nichtverstehen finden.
Auch wenn Objektivität als wissenschaftliches Wertprinzip von verschiedenen Seiten
stark kritisiert wird, war zumindest in meiner kunsthistorischen Ausbildung an der UZH
das «ich» ein noch immer unwillkommener Gast. Der Diskurs um situiertes Wissen war
auf theoretischer Ebene zwar vorhanden, doch wurde dieses mehr als akademische
Floskel gehandhabt, als dass es strukturelle Neuerungen ermöglicht hätte. In
XENOLANDSCAPE will ich dem entgegenwirken, indem die Situierung (1.) nicht nur
vorhergeht, sondern gar nie verlassen wird und (2.) keine singuläre, sondern eine plurale
Positionierung bedeutet. Statt also über etwas nachzudenken, wird dieses etwas zum
umgekehrten Ausgangspunkt, um über meine Relationen und Zugänge zu ihm
nachzudenken. In diesem Sinne wird das «ich» nicht nur enthüllt, sondern gar nie
weggedacht. Das Subjekt löst sich in der Xenolandschaft nicht auf, indem es sich
verleugnet, sondern indem es sich selbst als eines von vielen versteht. Und selbst dieses
eine «ich» ist nicht eindeutig: Die Zugänge und Relationen sind vielseitig, heterogen und
polyphon. Die unterschiedlichen visuellen und semantischen Segmente in
XENOLANDSCAPE zeigen das auf: Immer wieder werden neue Positionen eingenommen,
um sich auf unterschiedliche Weise mit der vagen Idee der Xenolandschaft – und durch
sie hindurch mit sich selber – auseinanderzusetzen.
Die Situiertheit als unbedingte Prämisse wiederum soll auch ein impliziter Hinweis auf die
Dekonstruktion einer objektiven Betrachtung der Landschaft sein. Die Landschaft
wiederum bezeichnet hier einerseits die dargestellte Form einer scheinbaren
Natürlichkeit, andererseits aber nutze ich sie auf als Signifikant für Konzepte wie
Bedeutung oder Erkenntnis per se. In diesem Sinn ist XENOLANDSCAPE keine Sammlung
von Erkenntnissen, sondern vielmehr ein Versuch, die richtigen Fragen zu stellen.