Im Zentrum des Dissertationsvorhabens stehen Umgangsweisen mit Materialien und Objekten im Fach Bildnerisches Gestalten und die ihnen implizit hinterlegten fachlichen Zuschreibungen, Werte und Haltungen. Erfahrungen mit und durch Materialien nehmen im Fach einen wichtigen Stellenwert ein und stehen für das Versprechen vielgestaltiger ästhetischer Bildungspotentiale, die allerdings oft aus einer fachimmanenten Logik begründet werden.
Die Ausgangslage für die Untersuchung bilden die spezifischen materiellen Korpusse von Fachschaften an Gymnasien, die gesichtet und auf Auffälligkeiten hin untersucht werden. Diese Sammlungen umfassen einerseits aus der Geschichte des Zeichenunterrichts bekannte Gegenstände wie Tierpräparate, geometrische Körper oder Naturalien, aber auch Weihnachtskugeln, Popcorn oder Altmetall können im Kontext dieser Bestände bereits als kanonisch verstanden werden. Von Interesse sind zudem die räumlichen Anordnungen, in denen diese Dinge ihren Platz haben, also auch Infrastrukturen, wie Schränke, Vitrinen oder die sogenannten Materialräume.
Leitend für die Untersuchung ist die Frage, welche Auffassungen und Verständnisse des Fachs die Gegenstände dieses materiellen Archivs im schulischen Gebrauch zusammenhalten: Was ihnen je Berechtigung und Geltung verschafft und inwiefern sie zur Stabilisierung dieser Auffassungen beitragen. Ergänzend interessiert aber auch, welche Agency ihnen im Kontext dieser Bestände zukommt, resp. inwiefern sie – nunmehr weniger als stabile Objekte verstanden, denn als potentiell bedeutungsoffene Dinge – zu einer Destabilisierung, resp. Öffnung oder Dynamisierung dieses Zusammenhangs und damit auch zu einer Erweiterung materialbezogener Praxen beizutragen vermögen.
Für die Analyse werden zusätzlich zum Korpus der Materialbestände textbasierte materialbezogene Quellen in Form von Artikeln in Fachpublikationen, Aufgabenstellungen oder Lehrmitteln zusammengestellt. Diese beiden Quellenkonvolute werden aufeinander bezogen erarbeitet. Zur Kontextualisierung dieser Quellen werden gezielt Studien zur Materialästhetik in den Künsten (vgl. Wagner 2013), zu materiellen Kulturen wie auch bildungshistorische Studien herangezogen, um sie auf Diskurse hin zu untersuchen, die darin aufgegriffen werden. Das von der Praxis als selbstverständlich Erachtete soll damit aus den Quellen herausgearbeitet, als solches kenntlich gemacht und als historisch kontingent ausgewiesen werden.
Die aus dieser Analyse hervorgehenden Erkenntnisse bezüglich möglicher Verkürzungen oder Zuschreibungen werden noch einmal aufgegriffen und als Problemstellungen in exemplarischen Fallstudien bearbeitet: Im Rahmen dieser und im Anschluss an Theorien der Neuen Materialismen sollen Dinge als Gefüge konzeptualisiert und aus der Potentialität ihrer menschlichen und nicht-menschlichen Verflechtungen nach möglichen Aktualisierungen von kunstpädagogischen Praxen befragt werden, welche in dieser Perspektive stärker an Fragen der Ökologie anschliessen. Damit soll es schliesslich gelingen, den Materialbegriff im Fach Bildnerischen Gestalten ethisch und politisch zu wenden und dessen Relevanz im Kontext aktueller gesellschaftlicher Realitäten herauszuarbeiten.