Welche Wirkung können künstlerische Projekte in der Stadtentwicklung haben? Kunst- und Sozialwissenschaftler aus Belgrad und Zürich untersuchen die Auswirkungen des Urban Incubator: Belgrade auf Savamala.
Künstler und Kreative sind häufig Geburtshelfer der Stadterneuerung, ohne es zu wissen. Viele einst in Vergessenheit geratene Stadtquartiere haben auf diese Weise einen unerwarteten Aufstieg erlebt, der oft weit über die eigenen Grenzen ausstrahlte. Niedrige Mieten, inspirierendes Ambiente und gesellschaftliche Nischen für alternative Lebensmodelle sind häufig die Standortqualitäten, welche die "Kreativen" anziehen. Zwar verfügen sie nur über geringes finanzielles Kapital, aber über großes „kreatives Kapital“, das sie in ihr städtisches Umfeld investieren: in Ateliers und Galerien, Clubs und Bars, Start-up-Unternehmen und Einzelhandel.
Längst werden Künstler und Kreative aktiv in die Aufwertung alter Gebäude und desolater Stadtquartiere eingebunden – so auch in Savamala. Die Auswirkungen dieses Vorgehens sind aber stark umstritten. Kritiker argumentieren, dass das kreative Milieu auf diese Weise für kommerzielle und politische Zwecke vereinnahmt würde, zur Gentrifizierung beitrage und schlussendlich den Quartieren und sich selber schade.
Das Bureau Savamala hat sich zum Ziel gesetzt, die künstlerischen und kreativen Beiträge zur Quartiersentwicklung in Savamala kritisch zu beobachten. Im Fokus liegen sowohl die Projekte des Urban Incubator: Belgrade, aber auch andere Projekte und Ereignisse, die zeitgleich in Savamala stattfinden. Auf Grundlage empirischer Methoden soll festgestellt werden, wie sich das Quartier verändert und wie diese Veränderungen durch die Bewohner und die weitere Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Das Bureau Savamala versteht sich als Korrektiv für den Urban Incubator: Belgrade und als beispielhafter Beitrag für eine sozial nachhaltige Quartiersentwicklung.
Der URBAN INCUBATOR:BELGRADE ist ein Exzellenzprojekt des Goethe-Instituts Belgrad in Kooperation mit der ETH Zürich. Es stellt den Versuch dar, mittels künstlerischer Interventionen die Entwicklung des stark vernachlässigten Stadtteils Savamala in Belgrad nachhaltig mitzugestalten. Die zugrunde liegende Fragestellung berührt ein spezifisches Interesse von PUBLIC CITY: die Rolle der Künste innerhalb gesellschaftlicher, insbesondere urbaner Transformationsprozesse.
Aus diesem Grund war PUBLIC CITY an einer Beteiligung besonders interessiert. Diesmal jedoch nicht als Akteur, sondern als Begleiter und Beobachter. Von Interesse ist es, den Verlauf des Projekts mit zu verfolgen, zu kommunizieren und zu analysieren. Was für Ideen bilden die Grundlage? Welche Akteure treten auf und wie agieren sie? Was passiert in und mit dem Quartier? Welche Veränderungen finden statt? Vor allem ist der Blick auf die Frage gerichtet, inwieweit eine gesteuerte Aufwertung mittels sozio-künstlerischer Aktivitäten ohne die meist unumgänglichen Auswirkungen der Gentrifizierung möglich ist.
Das Projekt läuft zwischen März und November 2013 und wird von Philipp Klaus von INURA und Jürgen Krusche ausgeführt, zusammen mit einem Mitarbeiter vor Ort, dem Politikwissenschaftler und Aktivisten Dobrica Veselinovic. Es kommen die „klassischen“ Methoden zur Anwendung wie Diskurs- und Medienanalyse, Interviews mit Anwohnern, städtischen Verantwortlichen und anderen Stakeholdern, Fotobeobachtungen, etc. Ziel ist es, ein Indikatoren-Set zu entwickeln, mit dem künftige Aufwertungsstrategien überprüft werden können.
Die erarbeiteten Daten und Dokumentationen werden in einem „Büro“, das öffentlich zugängig ist, zusammengetragen, archiviert und ausgestellt. Dieses Büro versteht sich im Sinne der relationalen Ethnografie als „Kontakt-Zone“ zwischen KünstlerInnen, AnwohnerInnen, ForscherInnen und der Öffentlichkeit. Ein entsprechendes Lokal wurde uns hierfür zur Verfügung gestellt.