Das Forschungsprojekt unternimmt den erstmaligen Versuch, den Designer Willy Guhl mit Bezug auf seine gestalteten Objekte, seine Lehre und seine «forschende Arbeitsweise» im Licht neuerer Theorien der Designforschung und Designwissenschaft in einen Zusammenhang zu stellen. Dazu soll Guhls «implizites Wissen» anhand materieller Objekte sowie mündlicher Quellen untersucht und als «Denken mit den Händen» exponiert werden. Die Resultate der Forschung fliessen in eine Publikation, eine Ausstellung und ein Vermittlungsprogramm im Museum für Gestaltung Zürich ein.
Willy Guhl (1915–2004) gehört zu den bedeutendsten Schweizer Designern und kann als Pionier des modernen, «neofunktionalistischen» Industriedesigns angesehen werden. Seine herausragenden Entwürfe, beispielsweise der erste Kunststoffschalenstuhl in Europa (1948) oder der Strandstuhl (1954) aus Faserzement, zählen zu den weltbekannten Designikonen des 20. Jahrhunderts. Über 39 Jahre hat Willy Guhl sein Wissen und Können als Entwerfer ausserdem in die Lehre an der Kunstgewerbeschule in Zürich, heute Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), eingebracht. Als Nachfolger von Wilhelm Kienzle (1886–1958) von dem er selbst in der Klasse Innenausbau ausgebildet wurde, hat Willy Guhl den ersten Schweizer Studiengang für Innenarchitektur und Produktgestaltung etabliert und bis zu seiner Pensionierung 1980 geleitet. Willy Guhl hat als Gestalter und Lehrer Generationen von Designern, nicht nur in der Schweiz, geprägt. Dennoch gibt es über ihn kaum nennenswerte wissenschaftliche Literatur, weder mit Blick auf die Designgeschichte noch in Ansehung seines vielfältigen Werks, seiner besonderen Verfahren in der Entwurfspraxis, seines Designdenkens als angewandter Forschung oder seinem spezifischen Verständnis einer «narrativen» Designdidaktik.
Das geplante Forschungsprojekt unternimmt den erstmaligen Versuch, den Designer Willy Guhl mit Bezug auf seine gestalteten Objekte, seine in Vorträgen explizit vertretenen ganzheitlichen Designprinzipien, sein Entwurfsdenken und seine «forschende Arbeitsweise» im Licht neuerer Theorien der Designforschung und Designwissenschaft in einen integralen Zusammenhang zu stellen. Dazu soll Guhls implizites Wissen, er hat selbst kaum etwas verschriftlicht, im Kontext seiner Entwurfspraxis und Lehre anhand von materiellen Quellen (dreidimensionale Objekte), Bild- und Textquellen (Vorträge, Fotografien, Lehrmaterialien etc.) sowie mündlichen Quellen (Oral History) durch die Befragung von Schülerinnen, Lehrerkollegen und Expertinnen untersucht und als für die Designforschung exemplarisches, im Projekt näher zu beschreibendes Denken mit den Händen, exponiert werden. Das Museum für Gestaltung Zürich, Teil des Departements Kulturanalysen und Vermittlung der ZHdK, an dem das Forschungsprojekt angesiedelt ist und durchgeführt wird, verfügt dazu nicht nur über eine umfassende Objektsammlung zu Willy Guhl, sondern auch über seinen vollständigen Nachlass mit Vortragsskizzen, Unterrichtsmaterialien und über 6000 Diapositiven. Zusammen mit den Beständen des ZHdK Archivs bilden sie die «Datengrundlage» des Projekts, das aus drei Teilen besteht: einem Basisteil zur impliziten Entwurfstheorie Guhls (Renate Menzi, Kuratorin der Designsammlung und Verantwortliche für deren Beforschung) sowie zwei Dissertationsprojekten, nämlich einer Arbeit zur Rekonstruktion der Entwurfs- und Gestaltungsprinzipien Guhls anhand des fotografischen Nachlasses (Ann-Kathrin Hörrlein) sowie zum Designwissen in Objekten anhand von Guhls Lehrmethoden als Designforschung (Katrin Stowasser). Dabei besteht die Grundthese des Forschungsprojekts darin, dass Guhls «neofunktionalistische Designpraxis» exemplarisch das vorwegnimmt, was derzeit als «Designforschung» im Sinne einer «Forschung durch Design» diskutiert wird.