Vom Verstehen und Nichtverstehen
Ausgangspunkt für Davids Erkundungen ist das Gruppenbüro, das er sich mit PhD-Kandidatinnen und -Kandidaten sowie Postdocs teilt: «Meine Rolle hier ist privilegiert. Als Künstler kann ich Fragen stellen oder Dinge sagen, die andere sich nicht erlauben können.» Die grösste Herausforderung sei das Fehlen einer gemeinsamen Sprache; jedes Gespräch über Plasmaforschung oder seine künstlerische Praxis drohe sich in der Komplexität zu verlieren, in der man sich jeweils bewege und die dem Gegenüber nur schwer zu vermitteln sei. Gestartet war er mit der Idee, Aufnahmen des Plasmas zu machen, wenn es für wenige Augenblicke durch den Tokamak fliesst. Doch die Realität der Versuchsanordnung holte ihn rasch ein: «Meine Suche nach dem Bild des Plasmas war der Anfang vom Ende der ursprünglichen Idee. Es war naiv zu denken, dass es abgebildet werden könne.» Das Plasma entzieht sich einer optischen Auseinandersetzung durch Fotografie oder Film: zu flüchtig, zu diffus, zu sehr determiniert durch den technischen Apparat, der es in Bewegung versetzt. Stattdessen erstellte David eine 3D-Simulation des Tokamak, die er mit Daten aus den Experimenten fütterte. Der so erzeugte virtuelle Plasmastrom kann für künftige künstlerische Projekte genutzt werden. Im Jetzt geht es aber darum, den Zugang zu nutzen, den die Residency eröffnet. Und plötzlich spielt für David die Vergangenheit eine grössere Rolle als die Gegenwart oder die Zukunft. Fusionsenergie wird seit Jahrzehnten erforscht und mehr als einmal dachte man schon, dass der Durchbruch gleich mit dem nächsten Experiment gelänge. Begründet im Schwung des Fortschrittsglaubens der Nachkriegszeit, der in mancher Hinsicht Ursache gegenwärtiger Probleme ist, haftet dieser Forschung auch etwas Anachronistisches an. Auf ihrer eigenen Zeitachse, die nun in die Mitte des 21. Jahrhunderts ragt, finden sich Brüche, Sackgassen, Abzweigungen, die sich materiell abgelagert haben. So auch im SPC, das David täglich durchstreift: «Ich sammle Aufnahmen und Artefakte und versuche ein Bild davon zu formen, was an diesem Institut bisher geschehen ist. Es ist eine Art archäologische Arbeit: ein Graben, ein Herausfinden, ein Versuch, die Herausforderung der Fusion zu rekonstruieren.»