Pfeift der Golfball vom Abschlag direkt ins Loch, ist das ein besonderes Ereignis. Auch im übertragenen Sinn glückt einem ein Hole in one nur selten. Zwischen Idee und Umsetzung schieben sich oft genug Widerstände: überwindbare wie fehlende Übung, Mittel oder Grundlagen. Und grosse, welche die Zeiten wenden und unsere Welt auf den Kopf stellen. Das ist manchmal gut so. Denn Widerstände nötigen uns dazu, Ideen auszuhandeln und Konzepte zu überprüfen. Und das wiederum eröffnet gestalterisches Potenzial. Die kreativen Disziplinen nutzen dafür den Begriff Iteration. Im Prozess entwickeln sie ein Vorhaben weiter – so lange, bis das Ergebnis für alle Stakeholder stimmt.
Ein Beispiel dafür ist die Einführung des Studienmodells Major-Minor. Sie kommt, aber später als geplant. Die Geschichte begann mit ersten Überlegungen 2017. Der Wunsch, wirklich transdisziplinär zu studieren, erhielt Form in der vom Fachhochschulrat genehmigten Strategie ZHdK 2019–2022. Die 2021 verabschiedete Rahmenstudienordnung bildete die gesetzliche Basis. Dasselbe Gremium musste im Februar 2022 mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass eine weitere Schlaufe unabdingbar ist. Das Konzept stimmte, aber die Umsetzung harzte, befand die Hochschulleitung. Ein Projekt dieser Grösse und Reichweite braucht nicht nur den – bestätigten – Zuspruch. Gewisse Prozesse beanspruchen mehr Zeit, um inhaltliche Entwicklung, Kalkulation und Personalplanung, die konform zur kantonalen Personalverordnung laufen müssen, fundiert aufeinander abzustimmen. Und ja, zwischen Idee und Umsetzung schob sich noch eine kräftezehrende Pandemie. Wenn das Studienmodell nun stufenweise ab 2023/24 eingeführt wird, geschieht das im Wissen darum, dass es weitere Iterationen geben wird. Perfektion ist ein Näherungswert.
Ebenfalls auf dem Weg zur Umsetzung befindet sich ein zweites strategisch wichtiges Projekt. Mit der «Zukünftigen Forschungsorganisation ZHdK» (ZFO) wird bis Mitte 2023 festgelegt, wer wo und mit welchen Mitteln künftig an der ZHdK forschen wird. Und wie die Forschung mit der Lehre zusammenspielen soll. Das geschieht auf Grundlage eines 2020 von der Hochschulleitung verabschiedeten Positionspapiers. Das Modell wird Professurstellen definieren, die Wissenschaft, Kunst und Praxis, aber auch Lehre, international beachtete Forschung und Nachwuchsförderung in einem überarbeiteten Institutsmodell besser vereinen werden. Das öffnet auch die Debatte darüber, welche Typen von Professuren für eine Kunst- und Designhochschule adäquat sind und wie die finanziellen Mittel transparent zugeordnet werden.
Iteration in den beiden wichtigsten Leistungsbereichen Forschung und Lehre bedeutet nicht, die Zukunft vorwegzunehmen, sondern den Weg in die Zukunft zu gestalten. Das trifft besonders auf Kunst- und Designhochschulen zu, die ihre Studierenden dazu anleiten, Zukünfte als Möglichkeitsräume zu eröffnen, um der Gesellschaft Orientierungswissen anzubieten. Der Fachhochschulrat sieht seine Rolle darin, die ZHdK in diesem iterativen Prozess zu unterstützen. Im Wissen darum, dass es dafür zukunftsweisende Ideen braucht. Viele gehen zurück auf Thomas D. Meier, den wir als Rektor im September mit grossem Dank verabschiedet haben. Mit der neuen Rektorin Karin Mairitsch, die wir herzlich willkommen heissen, entstehen neue Ideen, die ihre bestmögliche Ausprägung finden werden. Ich persönlich werde deren Umsetzung nicht länger als Fachhochschulrätin, sondern als interessiertes Mitglied der Gesellschaft verfolgen.
Dr. Meret Ernst
Fachhochschulrätin