Der Ausdruck «ästhetisches Denken» hat einen Doppelsinn. Er kann in zwei Genitiven ausgedrückt werden: «Ästhetik des Denkens» und «Denken des Ästhetischen». Der erste verweist auf die Poetik, auf Denken unter Anwendung rhetorischer Figuren oder im Medium der kunstvollen Rede. Der zweite, «Denken des Ästhetischen», ist der interessantere, aber auch umstrittenere, weil philosophisches Denken immer an die Aussage, an Argumentationen und Begründungen geknüpft wird, die wiederum auf einen Diskurs verweisen. Die Behauptung, dass es ein Denken im Ästhetischen gebe, sprengt insbesondere den Alleinvertretungsanspruch des wissenschaftlichen Diskurses und unterstellt, dass es auch andere Formen und Medien gibt, in und mit denen argumentiert, geurteilt oder geforscht werden kann: mit Farben, Tönen und Stillen, Klangsequenzen, Entwürfen, Animationen oder Szenen und dergleichen – dass also Gestaltungen nicht nur Arten sind, sich auszudrücken, sondern auch Erkenntnisse produzieren. Man muss dabei «ästhetisches Denken» wörtlich nehmen: Ästhetik, von griechisch aisthēsis, Wahrnehmung, weshalb es sich um ein Denken nicht in Worten, die etwas sagen, handelt, sondern um Denkweisen im Sichtbaren, Hörbaren oder Fühlbaren, die etwas zeigen und sich stets mitzeigen.