«Angesichts der grossen globalen Herausforderungen ist von zentraler Bedeutung, dass sich Studierende mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen und Methoden kennenlernen, die es ihnen ermöglichen, das Thema in ihrer Praxis für sich und andere fruchtbar zu machen», erklärt Judith Tonner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschung Art Education der ZHdK. «Bei Kunst und Nachhaltigkeit denken viele erst einmal an weite Flugreisen, ressourcenintensive Ausstellungen und Grossanlässe oder nicht recycelbare Materialien und wie diese zu vermeiden sind. Dabei ist der Themenumfang viel grösser: Zugang zu Bildung, kulturelle Teilhabe und Gerechtigkeit, Klimaschutz und Umgang mit öffentlichem Raum: Alles hat mit Nachhaltigkeit zu tun», fügt Sophie Vögele hinzu, ebenfalls Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschung Art Education.
«Wir» und «die Anderen»
Diversität und nachhaltige Lebensweisen sind gemäss Sophie Vögele unmittelbar miteinander verbunden. Das mit Drittmitteln finanzierte Projekt «Recht auf Wir» beispielsweise setzt sich aus postmigrantischer Perspektive mit dieser Komplexität auseinander. Es ist eine mehrjährige Kooperation der ZHdK mit der Pädagogischen Hochschule FHNW und der Hochschule Luzern, die im September 2022 startet. Es sollen Projekte entstehen, die mit Studierenden an der Schnittstelle zwischen Soziokultur, Pädagogik und den Künsten entwickelt werden und öffentliche Gruppierungen einbeziehen. Durch die multiperspektivische und praxisbezogene Hinterfragung der Unterscheidung zwischen «Wir» und «die Anderen» werden alltägliche Formen der Diskriminierung in der Öffentlichkeit aufgedeckt mit dem Ziel, diese durch eine Debatte zu sozialer Nachhaltigkeit und Praxisänderung aufzulösen. Die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse fliessen noch während der Laufzeit in die Lehre zurück. Die interdisziplinären Projekte und angestossenen Prozesse werden fortlaufend dokumentiert. Bis Dezember 2025 soll daraus neben Projekten auch ein anwendungsorientiertes und erfahrungsbasiertes interaktives und methodisches Workbook für eine interessierte Öffentlichkeit resultieren – insbesondere für Berufspraktiker:innen in künstlerischen, pädagogischen und soziokulturellen Praxisfeldern.
Freude und Lust auf Einfachheit und Verzicht
Ein weiteres Forschungsprojekt aus dem Bereich Art Education steht als Beispiel dafür, wie interdisziplinäre Forschung und Lehre zusammenspielen können: «Weniger ist mehr» setzt sich mit dem Thema Suffizienz – also dem sparsamen Umgang mit Ressourcen – auseinander und wird von Regula Brassel und Judith Tonner geleitet. Untersucht wird, wie sinnlich-ästhetische Erfahrungen – etwa Upcycling oder das Färben von Stoffen mit Naturfarben – die Freude und die Lust auf Einfachheit und Verzicht fördern können. In Zusammenarbeit mit Dozierenden und Studierenden werden in der Lehre entsprechende Vermittlungsangebote entwickelt, erprobt und evaluiert. Dabei stehen den Studierenden Praxispartner:innen wie Forschungsinstitute oder soziokulturelle Institutionen als Expert:innen oder potenzielle Arbeitgeber:innen zur Seite. Die entwickelten Vermittlungsangebote dienen als empirische Grundlage für die weitere sozialwissenschaftliche Untersuchung. Das Resultat wird eine Sammlung von Vermittlungsansätzen sein, die in Bildungsstätten eingesetzt werden kann.
Mit allen Sinnen
Studierende beeinflussen mit ihren Ideen die Welt von morgen. Für Judith Tonner und Sophie Vögele ist klar, dass die ZHdK dabei als Ausbildungs- und Forschungsstätte der Künste eine besondere Verantwortung trägt, die Vielfältigkeit von Nachhaltigkeit hervorzuheben. Die beiden Projekte machen deutlich, dass die Schnittstelle zwischen hochschulübergreifenden Disziplinen, Forschung und Lehre ein grosses Potenzial birgt. «Die Künste – und die Kunstvermittlung im Besonderen – bieten Möglichkeiten, Information und Wissen erlebbar zu machen und somit das Verhalten dauerhaft zu prägen», sagt Judith Tonner. «Ästhetische Zugänge erlauben, die Welt zu begreifen, sie mit allen Sinnen zu erfahren, die Wahrnehmung zu schärfen und die Vorstellungskraft zu entfalten. Kunstvermittlung kann Nachhaltigkeit fördern: mit Kopf, Hand und Herz.»