- Claudio Bucher: Du leitest den Bachelor Major Game Design an der ZHdK und bist Mitgründer des erfolgreichen Zürcher Game-Studios Okomotive. Seit diesem Jahr fördert die Zürcher Filmstiftung bzw. der Kanton Zürich erstmals auch Games. Wie wirkt sich das neue Fördersystem auf eure Studierenden aus?
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Goran Saric: Sehr positiv. Nach den Hiobsbotschaften in der Gameindustrie der letzten Jahre wirkt diese staatliche Anerkennung wie ein kleiner Leuchtturm. Pro Helvetia hat zwar bereits eine Vorreiterrolle eingenommen, aber mit bescheidenen Mitteln. Die neue Förderung bedeutet vor allem für unsere Absolvent:innen, die ein eigenes Studio gründen oder ihr Game auf den Markt bringen wollen, eine echte Perspektive. Sie reduziert nicht nur das finanzielle Risiko, sondern signalisiert auch: Game Design ist ein anerkanntes kulturelles Handwerk.
- CB: Worauf muss die Filmstiftung bei der Umsetzung besonders achten?
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GS: Auf die Vielfalt. Ein Kunstgame für Museen hat andere Bedürfnisse als ein Strategiespiel für Plattformen. Es gibt Projekte mit künstlerischem Kern, ohne kommerziellen Anspruch, aber auch Games mit hohem Marktpotenzial. Wichtig ist, dass beide Bereiche berücksichtigt werden, mit spezialisierten Jurys, die kompetent und differenziert bewerten können. Neben der Unterstützung junger Talente braucht es auch substanzielle Förderung für etablierte Studios – sie bauen wichtige Expertise auf und stärken das gesamte Ökosystem. Dieses Ökosystem war ja auch Thema eurer Grundlagenstudie – wie seid ihr da vorgegangen?
- CB: Als die Fachstelle Kultur des Kantons Zürich uns 2021 den Auftrag für die Studie gegeben hat, war uns schnell klar, dass wir die Wechselwirkungen zwischen Film, Games und Medienkunst ganzheitlich verstehen müssen. Wir haben im ZCCE darum als Erstes versucht, Expertisen der ZHdK zu bündeln und haben ein departementsübergreifendes Team gebildet – mit z.B. Film (Manuela Rüegg), dem Immersive Arts Space (Corinne Soland) und dem Departement Fine Arts (Prof. Jörg Scheller). Was mir in den ersten Interviews auffiel: Der Arbeitsalltag Zürcher Indie-Game-Designer:innen liegt viel näher an jenem von Kunstschaffenden als gedacht – vom Einkommen über die hohen Risiken langer Entwicklungsphasen bis zur Tendenz zur Selbstausbeutung. Was motivierte eigentlich dich dazu, diesen Weg zu gehen?
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GS: Wohl die Chance, etwas Eigenes zu schaffen. Klar spielt auch die Hoffnung auf finanziellen Erfolg eine Rolle, aber letztlich trieb mich immer das kreative Potenzial des Mediums an. Mit unserem Game «FAR» haben wir damals für uns etwas geschaffen, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Diese persönliche Note, die eigene Handschrift trieb uns an. Wenn du jedoch drei Jahre an einem Spiel arbeitest, ohne echte Finanzierung, und Familie und Freund:innen fragen: «Schaffsch immer no a dem Spiel?», dann ist das schon herausfordernd. Die ganze Identität hing von diesem Erfolg ab.
- CB: Das kann ich gut nachvollziehen. Und wenige schaffen es, aus einer Bachelorarbeit ein international erfolgreiches Game zu entwickeln und langfristig ein Studio aufzubauen. Das finde ich bemerkenswert. Aus der Perspektive der Kulturförderung interessiert mich auch die Frage, wie Games gesellschaftlich eingeordnet werden. Wie Filme können Games als Kulturtechnik soziale Umwelten verarbeiten und kulturelle Identitäten, Werte- und Normenvorstellungen zum Ausdruck bringen. Was kann ein Game, was ein Film nicht kann?
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GS: Ein Game kann durch seine Interaktivität etwas, das Filme nicht können: Es erlaubt «Agency», also echte Einflussnahme auf den Verlauf. Games wie «Minecraft» ermöglichen Kreativität und Identitätsbildung. Aber auch «Pac-Man», das auf den ersten Blick reine Unterhaltung ist, drückt historisch und kulturell relevante Designentscheidungen aus.
- CB: Was Games für mich von anderen Kulturformen unterscheidet: Sie sind mit dem Internet verzahnt, eingebettet in globale Communities, oft mit skalierbaren Geschäftsmodellen, und vor allem Teil digitaler Kultur – ohne lokale, physische Ankerpunkte. Ein grosser Teil der hiesigen Kulturfördermittel fliesst historisch gewachsen in die «klassische» Kulturszene, die schon lange existiert – Kultur findet dort vor allem in Häusern statt, der Oper, dem Schauspielhaus oder in Literaturhäusern. Mit dem Swiss Game Hub in Oerlikon entsteht dieses Jahr ein neuer grösserer Begegnungsort für die Zürcher Gameszene, der physisch ist. Welche Rolle könnte er spielen?
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GS: Eine zentrale. Es gibt fast keine offenen Orte für die Öffentlichkeit, wo sich die Szene regelmässig physisch trifft. Genau das fehlt extrem. Wir haben ja auch ein Literaturhaus, obwohl man Bücher digital kaufen kann. Ich hoffe, dass der Swiss Game Hub nicht nur Arbeitsort wird, sondern auch ein Begegnungsraum, wo Gameschaffende aus der Region mit der Öffentlichkeit zusammenkommen. Und dass es für die Kulturförderung genauso selbstverständlich wird, auch für Games physische Räume zu schaffen, wie bei anderen Kultursparten.
- CB: Zürich ist Standort grosser Tech-Unternehmen wie Google, neuerdings OpenAI oder Anthropic. Gibt es hier Potenziale für die lokale Gameszene?
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GS: Potenzial ja, genutzt wird es kaum. Bisher waren Zürcher Games den Tech-Firmen oft zu «artsy». Kooperationen im Bereich AI oder Creative Tech könnten spannend sein, aber wir müssen darauf achten, unabhängig zu bleiben. Auch mit dem ETH Game Technology Center wäre eine intensivere Zusammenarbeit denkbar, um technisches und gestalterisches Wissen zu verbinden.
- CB: Wo siehst du die Rolle der ZHdK bei der Entwicklung des Zürcher Games-Ökosystems? Wie können wir als ZCCE und mit dem Z-Kubator euch unterstützen?
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GS: Gerade die unternehmerische Seite ist wichtig. Unser Curriculum bietet wenig Platz, um Business-Kompetenzen oder rechtliches Know-how zu vermitteln. Der Z-Kubator könnte spezifischer auf die Bedürfnisse von Game-Studios eingehen – etwa mit Mentor:innen aus der Branche oder gezielter Rechtsberatung. Wichtig wäre auch, dass wir enger mit Orten wie dem neuen Swiss Game Hub zusammenarbeiten, um unseren Studierenden den Übergang in die Praxis noch stärker zu erleichtern.
- CB: Zum Schluss: Welche drei Dinge wünschst du dir für den Games-Standort Zürich?
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GS: Erstens, ein grosses internationales Game-Studio am Standort Zürich, wie Ubisoft, das Know-how in die Szene bringt und das ZHdK-Absolvent:innen Arbeitsplätze und Erfahrung gibt. Zweitens, ein eigener Animations- und 3D-Modellierungsstudiengang in Zürich. Drittens, dass die neue Förderung wirklich nachhaltig greift und den Bedürfnissen gerecht wird.